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Bedingt bündnisfähig

Christiane Hoffmann / (Beitrag vom 19.11.2002)26. März 2004

Experten halten die meisten Kandidaten der Nato-Erweiterung für militärisch nicht vorbereitet. Doch die USA brauchen die Länder als eine Art Flugzeugträger für ihre Truppen.

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Beschlussfassung im beschaulichen PragBild: AP

Sieben mittel- und osteuropäische Staaten werden in die NATO aufgenommen: Neben den drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sind es Slowenien, die Slowakei, Rumänien und Bulgarien. Kritiker halten ihren Beitritt jedoch für verfrüht - sie warnen, diese Länder seien noch nicht ausreichend vorbereitet, um in das Militärbündnis aufgenommen zu werden. Und sie verweisen auf die Schwierigkeiten bei der Integration von Ungarn, Tschechein und Polen im Jahr 2000.

Rein politische Entscheidung

Die erste Erweiterung wurde als großer Schritt zur Überwindung der einstigen Teilung Europas gefeiert. Damit honorierte das Militärbündnis zugleich die Fortschritte Ungarns, Tschechiens und Polens im Reform-Prozess. Doch mittlerweile sind die Nato-Staaten offenbar ernüchtert über die Leistungsfähigkeit der neuen Partner.

Zu dieser Erkenntnis kommt zumindest das Internationale Konversionszentrum in Bonn, das sich mit der Umstrukturierung des Militärs in Mittel- und Osteuropa beschäftigt. Andreas Heinemann-Crüder, der hier ein Forschungs-Projekt zur Reform der Streitkräfte in Osteuropa leitet, ist der festen Überzeugung, dass alle drei zu früh und militärisch nicht vorbereitet Mitglied wurden: "Das war eine rein politische Entscheidung, keine militärische." Das wichtigste Ziel der ersten Nato-Erweiterungsrunde sei gewesen, eine größere politische Stabilität in Europa zu erreichen, so Heinemann-Crüder. Wirtschaftliche und militärische Kriterien hätten bei der Einladung der Staaten in die NATO dagegen eine untergeordnete Rolle gespielt.

Dennoch gab es sie. So sollte in den Beitrittsländern überprüft werden, ob eine stabile Demokratie besteht, das Militär in die Gesellschaft eingebunden ist und entsprechend kontrolliert wird. Außerdem sollten die militärischen Möglichkeiten der Länder beurteilt werden: Wieviel Geld geben sie für die Armee aus, wie weit sind die Reformen im Militär gediehen? Und noch ein Punkt war für das Bündnis wichtig: Sind die Armeen in der Lage mit Nato-Einheiten anderer Länder zusammenzuarbeiten?

Verflogene Euphorie

Bei der Überprüfung dieser Kriterien sei dann aber nicht sehr genau hingeschaut worden, meint Heinemann-Crüder. Darum sei die anfängliche Euphorie über die Fähigkeiten der neuen Mitglieder bald verflogen. Vor allem Ungarn wird wegen zu geringer Militärausgaben kritisiert. Denn die Regierung hat nach dem Beitritt das Verteidigungs-Budget gekürzt - sie macht es von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängig. Aus wirtschaftlicher Sicht sei das nachvollziehbar, so der deutsche Militär-Experte, aber aus Nato-Sicht sei es der Bruch eines Versprechens.

Mit der Öffnung des Militärbündnisses hatten die westlichen Partner, vor allem die USA, zudem auf Aufträge für ihre Rüstungsindustrie gehofft. Denn die drei Neu-Mitglieder mussten ihre Armee modernisieren und an Nato-Standards angleichen. Ungarn jedoch hat den Bündnis-Partnern einen Strich durch die Rechnung gemacht: Statt US-amerikanische oder französische Kampfflugzeuge zu kaufen, gab die ungarische Regierung einem schwedischen Angebot den Zuschlag.

Länder als Landeplatz

Von den sieben Ländern der jetzigen Erweiterungsrunde hält Heinemann-Crüder nur einen Kandidaten für beitrittsfähig: Slowenien. Doch für die USA seien ohnehin andere Faktoren wichtiger, meint der Experte: "Meines Erachtens spielt es aus Sicht der USA eine Rolle, ob sie die Aufnahmekapazitäten für Luftlandetruppen haben, ob sie ihre Flughäfen vorbereiten, damit NATO-Flugzeuge landen können und das Radarsystem vorbereitet ist." Militärische Unterstützung erwarten sich die USA von Ländern wie Bulgarien, Rumänien oder den baltischen Staaten hingegen nicht. "Eigentlich brauchen die USA sie nur als eine Art Flugzeugträger." Insofern gewinne die Nato durch die Aufnahme neuer Mitglieder an Flexibilität. Der Zusammenhalt der Gemeinschaft nehme aber ab.