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Bayern will gegen Finanzausgleich klagen

17. Juli 2012

Bayern macht im Streit um den Länderfinanzausgleich ernst: Das schwarz-gelbe Kabinett will vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Die Nordländer werfen dem Freistaat im Gegenzug "unsolidarisches Verhalten" vor.

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Wegweiser, Schild, Bundesverfassungsgericht (Foto: Fotolia)
Bild: Fotolia/Klaus Eppele

Wie aus Regierungskreisen verlautete, soll die Klageschrift bis zum Herbst stehen. Ziel ist es nach Angaben aus der Koalition, die Klage noch in diesem Jahr einzureichen. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte mehrfach damit gedroht - zusammen mit dem Koalitionspartner FDP, aber auch mit den anderen großen Geberländern Hessen und Baden-Württemberg. "Bei aller Solidarität haben wir immer klargemacht: Ein Transfersystem, bei dem Bayern allein die Hälfte der gesamten Ausgleichssumme in ganz Deutschland zahlt, ist aus dem Ruder gelaufen und muss korrigiert werden", sagte Seehofer der "Süddeutschen Zeitung".

Hintergrund ist, dass Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) bei dem Streben nach einer Entlastung des Freistaats nicht mehr mit einer Lösung auf dem Verhandlungsweg rechnet. Die drei Länder hatten die Nehmerländer wiederholt zu Gesprächen über eine einvernehmliche Reform des Finanzausgleichs aufgefordert. Bayern betrachtet diese Versuche aber mittlerweile als gescheitert. In der Beschlussvorlage für die Kabinettssitzung heißt es dem Bericht zufolge, die Klage sei nunmehr "unumgänglich".

Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) (Foto: Reuters)
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU): "Das System ist aus dem Ruder gelaufen und muss korrigiert werden"Bild: Reuters

"Bayern hat jahrzehntelang vom Ausgleich profitiert"

Im Vorfeld des Kabinettbeschlusses hatten insbesondere die Nordländer das Vorgehen aus Bayern schart kritisiert und dem Freistaat "unsolidarisches Verhalten" vorgeworfen. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) hat "überhaupt kein Verständnis für eine solche Klage". Der SPD-Politiker wies darauf hin, dass Bayern fast 40 Jahre vom Länderfinanzausgleich profitiert habe. "Ich finde es unmöglich, wenn nun ausgerechnet dieses Land die Solidarität in Deutschland infrage stellt und die bis 2019 fest vereinbarten Regelungen aufkündigen will", beklagte der Schweriner Regierungschef. Das belaste auch die Gespräche darüber, wie es nach dem Auslaufen des jetzigen Länderfinanzausgleichs weitergehen solle.

Die schleswig-holsteinische Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) äußerte sich ähnlich. "Für die Aufgabe, die strukturelle Neuverschuldung bis zum Jahr 2020 auf null zu reduzieren, ist ein verlässlicher Rahmen durch den geltenden Länderfinanzausgleich unverzichtbare Voraussetzung", sagte Heinold der Nachrichtenagentur dapd in Kiel. Es sei aber zugleich an der Zeit, zwischen den Ländern und dem Bund über die Gesamtheit der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zu verhandeln.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) verwies wiederum auf das Grundgesetz. Dort sei in Artikel 107 festgeschrieben, "dass der Grundsatz des angemessenen Ausgleichs der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder zu berücksichtigen sei", sagte Wowereit. Berlin sei zwar nach 2020 zu einer Neuregelung bereit. Dabei müsse aber der Grundsatz des Ausgleichs berücksichtigt werden. Der SPD-Politiker erinnerte zudem daran, dass das Bundesverfassungsgericht sich in seinen bisherigen Urteilen zu den Grundsätzen des solidarischen Finanzausgleichs bekannt habe. "Dennoch steht es den Geberländern frei, die Praxis überprüfen zu lassen", fügte Wowereit hinzu.

Bremen könnte sich einer Gegenklage anschließen

Bremens Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) betonte zuvor, sie sehe einer Klage Bayerns gelassen entgegen. "Wir fürchten die Klage nicht", sagte Linnert im Deutschlandradio Kultur. Bei dem Länderfinanzausgleich handele es sich um "einen Rechtsanspruch und nicht um ein Almosen". Der Stadtstaat sei unverschuldet in die Haushaltsnotlage geraten und erwäge nun, sich einer möglichen Gegenklage des Saarlandes anzuschließen. Dabei gehe es um Ungleichheiten in der bundesweiten Mittelverteilung etwa im Bereich der Kohleförderung oder der Landwirtschaft.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) (Foto: dapd)
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) hat "kein Verständnis" für die Klage.Bild: dapd

Der Länderfinanzausgleich ist Teil eines komplexen Systems der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern sowie der Länder untereinander. Er dient dem Verfassungsziel, trotz unterschiedlicher Wirtschaftskraft der einzelnen Regionen in allen Teilen Deutschlands gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen und zu wahren. Bayern, Baden-Württemberg und Hessen sind derzeit die größten Geberländer.

GD/kis (dpa, dapd)