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Bayer will Monsanto - für 55 Milliarden Euro

Andreas Becker / ar23. Mai 2016

55 Milliarden Euro - so viel will der deutsche Chemiekonzern Bayer für die Übernahme des US-Saatgut-Herstellers Monsanto zahlen. Bayer machte das Angebot jetzt öffentlich. Was spricht für, was gegen den Deal?

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Bayer Wachstumsprognose
Bild: Reuters

Am Montagmorgen vor Öffnung der Börsen in Europa legte Bayer die Karten auf den Tisch. Man bewerte den US-Konkurrenten Monsanto mit 122 Dollar je Aktie - macht insgesamt 62 Milliarden US-Dollar oder eben 55 Milliarden Euro. Am Freitag war eine Monsanto-Aktie noch für 101,52 Dollar zu haben. Der Aufschlag, den Bayer zu zahlen gewillt ist, ist also deftig.

Der deutsche Chemiekonzern teilte weiter mit, seine Angaben basierten auf einer schriftlichen Offerte von Bayer an Monsanto vom 10. Mai 2016. Das eigene Angebot liege 33 Prozent über dem durchschnittlichen Monsanto-Aktienkurs der vergangenen sechs Monate.

Vor kurzem hatte es bei Bayer lediglich geheißen, man habe sich mit Managern von Monsanto getroffen, um über eine einvernehmliche Übernahme zu sprechen. Bezahlen will Bayer eine Übernahme durch eine Kombinantion von Fremd- und Eigenkapital. Der Anteil an Eigenkapital soll voraussichtlich rund 25 Prozent der Transaktion abdecken

"Bayer will durch Übernahme von Monsanto ein weltweit führendes Unternehmen der Agrarwirtschaft werden", erklärte der Konzern am Montag in seiner schriftlichen Mitteilung.

Der US-Konzern Monsanto hatte letzte Woche bestätigt, ein "unerbetenes und unverbindliches" Angebot erhalten zu haben, das nun geprüft werden müsse. Besonders begeistert klang das nicht. Kommt ein Deal zustande, würde der größte Agrochemie-Konzern der Welt enstehen, mit einem Umsatz von rund 60 Milliarden Euro.

Der Grund für das nun bekundete Interesse: Bayer könnte durch Monsanto sein Agrargeschäft stärken. Die Sparte CropScience trägt rund ein Fünftel zu Bayers Umsatz bei, vor allem mit chemischen Pflanzenschutzmitteln für die Landwirtschaft.

Perfekte Partner?

Nachholbedarf hat Bayer beim Saatgut, also der Herstellung von Samen, die durch Züchtung oder Gentechnik auf bestimmte Anbaubedingungen optimiert oder gegen Pestizide resistent sind.

"Wir wollen uns durch Akquisitionen, Einlizenzierungen sowie Partnerschaften langfristigen Zugang zu hochwertigem Zuchtmaterial sichern und bestehende Züchtungskompetenzen stetig erweitern", heißt es dazu im küngsten Geschäftsbericht von Bayer.

Genau hier ist Monsanto stark, der Konzern ist der weltgrößte Hersteller von Saatgut. Dazu gehören auch gentechnisch veränderte Samen, etwa für Mais, Soja und Baumwolle. Größter Gewinnbringer sind die sogenannten "Roundup Ready" Produkte.

Dabei können Farmer ihre Saat mit dem hauseigenen Unkrautvernichtungsmittel "Roundup" besprühen, ohne die Pflanzen zu schädigen. Die nämlich wurden gentechnisch so verändert, dass sie gegen das Glyphosat resistent sind.

Monsanto - Roundup
Mit Saatgut, das gegen den hauseigenen Unkrautvernichter "Roundup" resistent ist, verdient Monsanto viel GeldBild: dapd

Bis 2000 hatte Monsanto das Patent auf Glyphosat, und die Kombination aus Unkrautvernichter und Gentechnik erwies sich als Lizenz zum Gelddrucken.

Allerdings ist Glyphosat umstritten, weil es möglicherweise krebserregend ist. In der Europäischen Union läuft die Zulassung Ende Juni aus, die EU-Staaten konnten sich bislang nicht auf eine Verlängerung einigen.

Schlechter Ruf

Auch Monsanto selbst steht sei Jahren in der Kritik. Das genmanipulierte Saatgut und die Herbizide des Konzerns seien eine Gefahr für Umwelt, Gesundheit und Artenvielfalt, lautet ein Vorwurf. Berüchtigt ist das Unternehmen auch für seine agressiven Geschäftspraktiken.

In Indien streitet sich Monsanto mit der Regierung, weil die die Lizenzgebühren für das Saatgut des Konzerns um bis zu 70 Prozent senken will. Die hohen Kosten für das Saatgut und ausbleibende Erträge hätten viele Baumwollbauern in den Ruin getrieben, hunderte hätten sich deshalb umgebracht, so der Vorwurf.

In Burkina Faso, Afrikas größtem Baumwollproduzenten, will die Regierung den Anbau gentechnisch veränderter Baumwolle bis 2018 sogar ganz beenden und auf konventionelle Sorten wechseln.

In Argentinien klagt Monsanto seit Jahren über Schwierigkeiten, seine Lizenzgebühren einzutreiben, und wirft der Regierung mangelnde Unterstützung vor. Selbst in den USA ging Monsanto gerichtlich gegen Farmer vor, denen es einen Verstoß gegen seine Lizenzrechte vorwarf.

Bei Umweltschützern und Menschenrechtsgruppen ist Monsanto so unbeliebt, dass sie im Mai 2013 einen weltweiten Protestmarsch gegen das Unternehmen organisierten. Nach offiziellen Angaben nahmen daran mehrere Hunderttausend Menschen in 52 Ländern teil. Das schlechte Image von Monsanto könnte auch Bayer belasten, sollte es wirklich zu einer Übernahme kommen.

Schweiz Demonstrationen gegen Monsanto 2015
Proteste in der Schweiz im Rahmen weltweiter Demonstrationen gegen Monsanto am 22. Mai 2015Bild: picture-alliance/dpa/Keystone/L. Gillieron

Partnersuche

Derzeit hat Monsanto auch wirtschaftliche Probleme: Umsatz und Gewinn sind im vergangenen Halbjahr deutlich gesunken, für das laufende Jahr senkte der Konzern seine Prognose und baut Stellen ab.

Im vergangenen Jahr versuchte das Unternehmen, sich weniger abhängig vom Saatgeschäft zu machen. Für 47 Milliarden US-Dollar wollte Monsanto den Agro-Chemiekonzern Syngenta übernehmen. Die Schweizer winkten ab, nur um Anfang dieses Jahres anzukündigen, sich für 42 Milliarden Dollar von der chinesischen Firma ChemChina schlucken zu lassen.

Monsantos Übernahmeversuch zeige die Einsicht der Geschäftführung, eine größere Bandbreite an Produkten haben zu müssen, sagt Jason Miner, Analyst bei Bloomberg Intelligence.

Diese Einsicht ist allerdings nicht ohne Ironie. Um die Jahrtausendwende hatte das damalige Management von Monsanto den gegenteiligen Kurs verfolgt und die Chemiesparten verkauft. "Die haben alles auf das Saatgut gesetzt und die Chemie den anderen überlassen", so Miner.

Bayer-Aktie verliert

Eine Übernahme von Monsanto durch Bayer wäre eine weitere Großfusion im Agro-Business. Ende des vergangenen Jahres hatten die US-Konzerne Dow Chemical und DuPont angekündigt, sich zum größten Chemiekonzern der Welt zusammenschließen zu wollen.

Die Aktionäre von Bayer sehen eine Übernahme mit großer Skepsis, die Aktie gab auch am Montag weiter nach. Seit Bekanntwerden der Übernahmepläne am vergangenen Donnerstag hat die Bayer-Aktie rund zehn Prozent an Wert verloren. Händler nannten die hohen Kosten als Grund, Monsanto ist an der Börse mit rund 42 Milliarden Dollar bewertet. "Das drückt erstmal auf den Kurs", sagte ein Händler.

Bayers Börsenwert ist mit 74 Milliarden Euro rund doppelt so hoch. Analysten von Baader Helvea erwarten jedoch, dass die Übernahme nicht ohne eine Kapitalerhöhung zu stemmen ist.

"Da Bayer keine Einzelheiten bekanntgibt, rechnen wir in nächster Zeit mit Gegenwind für die Aktie", heißt es in einem Kommentar der Bank.

Was die Geschäftsführung von Monsanto von der Idee hält, nicht der Käufer, sondern der Gekaufte zu sein, ist noch offen. Zumindest die Aktionäre scheinen der Vorstellung etwas abgewinnen zu können. Monsanto-Papiere legten seit Donnerstag rund zehn Prozent zu.