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Batya Gur: In Jerusalem leben

Bettina Marx15. April 2002

Ein literarischer Streifzug und eine kritische Innenansicht zugleich - und nicht zuletzt eine Liebeserklärung an eine Stadt, die drei Weltreligionen heilig ist: Jerusalem.

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Die israelische Schriftstellerin Batya Gur, in Deutschland vor allem als Autorin von Kriminalromanen bekannt, hat eigens für ihre deutsche Leserschaft ein Buch geschrieben. Darin beschreibt sie ihr Leben in Jerusalem, der Stadt, in der ihr populärer Krimiheld, Inspektor Michael Ochajun, Verbrecher jagt und über das Leben im jüdischen Staat nachsinnt.

Buchcover: Batya Gur - In Jerusalem leben

Es ist die Stadt, in der Batya Gur seit über 30 Jahren lebt und arbeitet, die Stadt, die Juden und Palästinenser als ihre Hauptstadt beanspruchen, die Stadt, in der die drei monotheistischen Weltreligionen in ihren zahlreichen Varianten und Schattierungen nebeneinander leben.

Arabischer Osten ist tabu

Batya Gur beschreibt einen Tag in ihrem Alltagsleben. Sie nimmt den Leser mit auf ihrer Fahrt vom säkularen und friedlichen Wohnviertel Ramat Dania zur Schule ihrer Tochter in dem heruntergekommenen Wohngebiet Katamonim und von dort in ihr Büro im von deutschen Einwanderern großzügig angelegten schattigen Rehavia, dem Herzen der alten Jerusalemer Weststadt.

Nur in diesem Westen Jerusalems spielt sich ihr Leben ab, in dem Teil der Stadt, in dem die jüdische Bevölkerung lebt. Der arabische Osten ist für sie seit Ausbruch der Intifada tabu. Den Tempelberg mit dem Felsendom und der Al-Aqsa-Moschee besucht sie zum ersten Mal, als eine deutsche Redakteurin der Zeitschrift Merian sie dahin mitnimmt.

Unsichtbare Mauer

Damit beschreibt Batya Gur die Lebenswirklichkeit der meisten weltlich eingestellten Israelis, für die der arabische Teil der Stadt wie in der Zeit der Teilung vom Unabhängigkeitskrieg 1948 bis zur Eroberung durch die Israelis im Jahr 1967 hinter einer inzwischen freilich unsichtbaren Mauer liegt.

Die meisten Israelis gehen niemals in die bei Touristen so beliebten Altstadtbasare. Den Tempelberg und die muslimischen Heiligtümer kennen sie nur aus der Ferne. Und sie beschreibt damit ein Jerusalem, wie es die meisten Deutschen, die als Touristen ins Heilige Land reisen, nicht kennen.

Kühle Distanz

Mit beißender Kritik und ohne jede falsche Romantik betrachtet Batya Gur die israelische Hauptstadt, die sich mit einem Ring von Siedlungen umgeben hat, um den palästinensischen Anspruch auf den Ostteil der Stadt mit Hochhäusern und Wohnblocks im wahrsten Sinne des Wortes zuzumauern.

Mit Verachtung beschreibt sie die "neue israelische Megalomanie", die Ich-Bezogenheit und den Größenwahn des modernen Israel und seiner politischen Elite. Es ist diese kühle Distanz zu der von ihr heiß geliebten Stadt, die Gurs Buch zu einem Lesevergnügen der besonderen Art macht. Diese kritische Innenansicht einer durch und durch politisch denkenden Schriftstellerin macht dieses Buch zu einem Gewinn für alle am Nahen Osten interessierten Leser.

Gut lektoriert

Darüber hinaus ist es so spannend geschrieben wie ihre Krimis und atmet die gleiche Schwermut wie die Geschichten um den immer etwas traurigen Inspektor Ochajun. Ein Lob muss aber auch dem Verlag ausgesprochen werden für ein gut lektoriertes und ansprechend bebildertes Buch.

Denn er hat den Text der Schriftstellerin mit den historischen und modernen Photos von Werner Braun ergänzt. Zusätzlich erleichtert ein Glossar dem weniger bewanderten Leser das Verständnis des Textes.


Batya Gur
In Jerusalem leben
Goldmann, 2001
ISBN 3-442-45031-4
EUR 8,00