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Ungleicher Kampf

Michael Knigge19. Oktober 2012

Am 6. November entscheidet Kalifornien, ob gentechnisch veränderte Lebensmittel, wie in Europa schon lange üblich, gekennzeichnet werden müssen. Dagegen machen zahlreiche US-Konzerne - und zwei deutsche Firmen - mobil.

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Bundesweit einziges Genkartoffelfeld wird abgeerntet Ein Mann hält mit Schutzhandschuhen am Mittwoch (29.09.2010) auf dem bundesweit einzigen kommerziellen Genkartoffel-Feld bei Zepkow in Mecklenburg-Vorpommern einige der geernteten Kartoffeln in den Händen. Foto: Jens Büttner
Bild: picture-alliance/ZB

Die häufig strapazierte Geschichte von David gegen Goliath funktioniert nicht immer wenn sie auf aktuelle Konflikte zwischen ungleichen Gegnern angewandt wird. Aber auf die Auseinandersetzung um die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Nahrungsmittel passt sie genau.

In dem Konflikt trifft die geballte Macht der industriellen Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie auf eine kleine Gruppe von Ökobauern, Bioläden und engagierten Einzelkämpfern.

Kern der Auseinandersetzung ist die so genannte Proposition 37 (Antrag 37). Die Initiative sieht vor, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel in Kalifornien gekennzeichnet werden müssen. Auf nationaler Ebene gibt es in den USA keine Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel.

Da in den USA Schätzungen zufolge 80 Prozent aller verkaufen Lebensmittel gentechnisch veränderte Zutaten enthalten, würde eine Kennzeichnungspflicht in Kalifornien die Lebensmittelindustrie zwingen zwei komplett voneinander getrennte Warenströme aufzubauen.

Noch schlimmer für die Industrie ist jedoch die Erfahrung, die die EU seit der 1997 geltenden Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel gemacht hat: Obwohl gentechnisch veränderte Lebensmittel erlaubt sind, hat das Gesetz zur Folge, dass die Produkte nicht in europäischen Supermarktregalen zu finden sind, weil die Verbraucher sie schlicht nicht kaufen.

Angeführt von Monsanto, dem weltgrößten Samenproduzenten, hat die Kampagne gegen die Kennzeichnungspflicht für Gen-Produkte öffentlichen Unterlagen zufolge bislang 35 Millionen Dollar (27 Millionen euro) eingesammelt.

Zwar liest sich die Liste der Kennzeichnungsgegner mit bekannten Namen wie Pepsico, Coca Cola, Kellogg und Mars wie das Who-is-Who der US-Lebensmittelindustrie. Dennoch stechen zwei deutsche Konzerne heraus, weil sie mehr im Kampf gegen die Kennzeichnungspflicht gespendet haben als all die oben genannten Welt-Marken.

DEKALB Mais logo (AP Photo/Seth Perlman)
Monsantos genmanipulierte Samen sind ein Hauptprodukt der Firma.Bild: AP

Deutsche Firmen gegen Proposition 37

BASF und Bayer haben bislang jeweils zwei Millionen Dollar in die Kampagne gegen die Kennzeichnungspflicht in Kalifornien investiert. Nur Monsanto und der US-Chemiekonzern Dupont gaben noch mehr.

Anfang dieses Jahres verlegte BASF aufgrund mangelnder Unterstützung für die Gentechnik in Europa sogar den Hauptsitz des Geschäftsbereichs in die USA.

Dies erklärt, warum die beiden Firmen mehr als die meisten anderen amerikanischen und internationalen Konzerne investieren, um die Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Produkte zu blockieren, sagt Michael Hansen, leitender Wissenschaftler von Consumers Union, der unabhängigen US-Verbraucherschutzorganisation. "Diese deutschen Firmen führen die Genmanipulation durch. Weil es letztendlich ihr Inhaltsstoff ist, der gekennzeichnet werden müsste, haben sie ein enormes Interesse an der Auseinandersetzung."

Was das Verhalten von BASF und Bayer besonders interessant macht, ist die Tatsache, dass sie Millionen im Kampf gegen genau solche Regeln investieren, die auf ihrem europäischen und deutschen Heimatmarkt schon seit Jahren gelten.

"Es ist empörend, dass deutsche Firmen so viel Geld ausgeben, um unser Entscheidungsrecht in Kalifornien zu torpedieren", sagt Stacy Malkan, Pressesprecherin der California Right to Know 2012 Initiative der DW per E-mail.

"Ich finde es wirklich ein bisschen skandalös, dass gerade deutsche Konzerne sich da so massiv in die amerikanische Innenpolitik einmischen," sagt Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament.

Auf einer Anbaufläche für genmanipulierten Mais im Oderbruch nahe dem brandenburgischen Seelow protestieren am 03.05.2005 Greenpeace-Aktivisten mit einem riesigen Drachen auf dem ein Gen-Mais-Monster abgebildet ist. Foto: Patrick Pleul +++(c) dpa - Report+++
Viele deutsche Verbraucher stehen genmanipulierter Nahrungsmittel sehr kritisch gegenüber.Bild: picture-alliance/dpa

Konzerne halten Proposition 37 für irreführend

In einer Stellungnahme für die DW, lässt der zuständige Bayer-Geschäftsbereich CropScience, Fragen zur Zwei-Millionen-Spende für die Anti-Kennzeichnungskampagne sowie über mögliche weitere Spenden unbeantwortet.

"Bayer CropScience befürwortet prinzipiell, dass Verbraucher umfassend aufgeklärt werden und transparente Informationen erhalten", teilte Unternehmenssprecher Utz Klages per E-mail mit. Proposition 37 schaffe jedoch "keine vollständige Transparenz für die Verbraucher", ergänzt er. "Sie sorgt vielmehr für Unsicherheit, weil sie den falschen Eindruck vermittelt, dass es Unterschiede in der Sicherheit und den Ernährungseigenschaften gibt, obwohl diese de facto nicht existieren."

BASF äußert sich ebenfalls nicht zur Zwei-Millionen-Spende oder seiner weiteren Spendenpraxis.

"Im Sinne einer besseren Transparenz für Kunden und Verbraucher befürworten wir jede Art von Kennzeichnung soweit sie nicht irreführend oder diskriminierend ist", betont BASF-Sprecherin Jennifer Moore-Braun per E-mail. "Wir sind jedoch der Ansicht, dass dies bei Proposition 37 nicht der Fall ist", ergänzt sie. BASF sei der Auffassung, dass "es nicht die Absicht der Gesetzesinitiative ist die Verbraucher zu informieren, sondern die landwirtschaftliche Biotechnologie zu diskriminieren."

In den USA, so Moore-Braun, gebe es keine nationale Kennzeichnungspflicht, da "es die Verbraucher irreführe, weil dies fälschlicherweise impliziere, dass es Unterschiede in der Sicherheit und den Ernährungseigenschaften gibt, obwohl diese de facto nicht existieren."

Transatlantische Ablehnung von Gen-Produkten

Trotz der Tatsache, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel in der EU gekennzeichnet werden müssen und in den USA nicht, gibt es kaum einen Unterschied in der Einstellung von Amerikanern und Europäern zum Thema. In Meinungsumfragen sprechen sich beide regelmäßig für eine Kennzeichnungspflicht aus. In einer ABC News Umfrage sagten 93 Prozent der Amerikaner, die US-Regierung sollte eine Kennzeichnungspflicht einführen. Gleichzeitig betonte mehr als die Hälfte der Befragten, sie würden dann versuchen so gekennzeichnete Produkte zu meiden.

Ziel des "Right2Know" Marsches im Oktober war das Weiße Haus. Die Demonstranten erinnerten Präsident Barack Obama an sein Versprechen, sich für die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln einzusetzen. Foto: Christina Bergmann, DW, Washington, DC, 16. Oktober 2011
Bisherige Versuche eine Kennzeichnungspflicht durchzusetzen sind gescheitert.Bild: DW

Amerikaner und Europäer denken sehr ähnlich über gentechnisch veränderte Lebensmittel, sagt auch der Europa-Abgeordnete Häusling: "Je mehr die Konsumenten über Gentechnik wissen, desto höher ist die Bereitschaft es nicht zu kaufen, statt umgedreht."

Seitdem die Kennzeichnungsgegner begonnen haben mit ihren Millionen eine massive Werbekampagne in Kalifornien zu finanzieren bröckelt die Unterstützung für Proposition 37. Nach einer Umfrage der vergangenen Woche befürworten nun nur noch 48 Prozent eine Kennzeichnungspflicht, 40 Prozent sind dagegen.

Mit Millionen in der Kasse, die noch in Werbung gegen die Kennzeichnungspflicht gesteckt werden können, könnte Proposition 37 schließlich doch das gleiche Schicksal erleiden wie so viele andere Versuche eine Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Lebensmittel in den USA einzuführen: Als ein Kampf, der letztlich durch die Finanzmacht von Goliath entschieden wird.