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Barroso bleibt bei Buttiglione

Bernd Riegert, zurzeit Straßburg 27. Oktober 2004

Der neue EU-Kommissionspräsident José Barroso und das Europaparlament steuern weiter auf Konfrontationskurs. An diesem Mittwoch (27.10.) kommt es zur entscheidenden Machtprobe.

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Barroso sieht einer schwierigen Abstimmung entgegenBild: AP

"Einige von Ihnen hätten sich eine radikalere Antwort und eine Umgruppierung des Teams gewünscht. Aber ist das wirklich eine Option in dieser Phase? Die Zuständigkeiten jetzt zu ändern, würde mehr Probleme zwischen den Institutionen schaffen als lösen", erklärte der designierte EU-Kommissionspräsident José Barroso am Dienstag (26.10.) sein Festhalten an der Kommission.

Stures Festhalten

Barroso kündigte an, er werde zu Beginn seiner Amtszeit umfassende Gesetzesvorlagen zur Bekämpfung von Diskriminierung wegen des Geschlechts oder sexueller Orientierung vorstellen. Für diesen Bereich werde er persönlich Verantwortung übernehmen. Der konservative Katholik Buttiglione war wegen seiner Äußerungen über Homosexuelle und die Stellung der Frau vor dem zuständigen Parlamentsausschuss durchgefallen. Kritik an anderen Kommissaren wies Barroso zurück und deutete an, dass man diese Kommissare ja immer noch austauschen könne, wenn sie schlechte Arbeit abliefern sollten.

Martin Schulz Europaparlament SPD
Martin Schulz, Vorsitzender der Sozialistischen Fraktion im EuropaparlamentBild: AP

Der Vorsitzende der Sozialistischen Fraktion, Martin Schulz, warf Barroso stures Festhalten an seinem Zuschnitt der künftigen Kommission vor. Er gehe auf die Bedenken des Parlaments nicht ein: "Wenn das so bleibt, dann helfen auch kosmetische Korrekturen in Form von angekündigten Initiativen nichts. Wenn das so bleibt, wird es für uns sehr schwierig, ihrer Kommission das Vertrauen auszusprechen", sagte Schulz.

Knappe Abstimmung

Neue EU-Kommissare treffen sich erstmals in Brüssel
Schaffen sie es? Die neuen EU-KommissareBild: dpa

Überwiegend mit "Nein" wollen am Mittwoch (27.10.) die Liberalen, die Grünen, die Linken und kleinere europaskeptische Fraktionen stimmen. Damit dürfte das Vertrauensvotum äußerst knapp ausgehen. Vorhersagen lässt sich das Ergebnis schwer, weil die Europaabgeordneten nicht an eine Fraktionsdisziplin gebunden sind. Die französische Zeitung Le Figaro kommt bei einer Schätzung auf 340 zu 315 Stimmen gegen José Barroso und seine Mannschaft. Gestützt wird der ehemalige portugiesische Ministerpräsident von der größten Fraktion, den Konservativen. Deren Vorsitzender, Hans Gert Pöttering, warnte wie sein Parteifreund Barroso vor einer Krise für Europa, sollte die neue Kommission durchfallen. Am Freitag (29.10.) wird in Rom die erste EU-Verfassung unterzeichnet. Ohne bestätigte Kommission würde ein negatives Signal die anstehende Verabschiedung der Verfassung überschatten, sagte Pöttering.

"Bizarrer Dirigent"

Sollte Barrosos Kommission am Mittwoch durchfallen, entstünde eine rechtlich neue Situation. Denn dieser Fall ist in den EU-Verträgen nicht klar geregelt. Die Parlamentarier gehen mit großem Selbstbewusstsein in die namentliche Abstimmung, denn, so eine Abgeordnete: "Endlich interessiert sich mal jemand für uns." Der grüne Fraktionschef Daniel Cohn-Bendit beklagte, dass viele nationale Regierungen durch Telefonate in letzter Minute Druck auf die eigentlich unabhängigen Parlamentarier auszuüben versuchten. Und Barroso, so Cohn-Bendit, führe sich auf wie der bizarre Dirigent eines seltsamen Orchesters, in dem keiner den richtigen Ton treffe.