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Banker in Disneyland

Rolf Wenkel26. Mai 2014

Die EZB will die Notenbanker der Welt regelmäßig zu einem informellen Treffen ins portugiesische Städtchen Sintra locken. Thema ist diesmal natürlich die weitere Lockerung der Geldpolitik.

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Sintra Lisabon Portugal
Bild: imago/GlobalImagens

Europas Währungshüter haben in den letzten Tagen und Wochen keine Gelegenheit ausgelassen, um die Märkte auf eine weitere Lockerung der Geldpolitik Anfang Juni vorzubereiten. Seit Sonntag (25.05.2014) haben sich Notenbanker und Wirtschaftsexperten aus der ganzen Welt jedoch erst einmal zu Gesprächen in die portugiesische Provinz zurück gezogen - in das pittoreske Städtchen Sintra, rund 35 Kilometer nördlich von Lissabon.

Unter dem Titel "Geldpolitik in einer sich verändernden Finanzwelt" diskutieren bis zum Dienstag unter anderem IWF-Chefin Christine Lagarde, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso, Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem und der US-Ökonom Paul Krugman mit EZB-Präsident Mario Draghi und anderen Vertretern der EZB-Führung. Insgesamt hat die Europäische Zentralbank rund 150 Teilnehmer eingeladen - nur US-Notenbankchefin Janet Yellen hat aus Termingründen abgesagt.

Viele Pfeile im Köcher

Seit der letzten EZB-Ratssitzung am 8. Mai in Brüssel stehen die Geldpolitiker wieder einmal im Zentrum des Interesses. EZB-Chef Mario Draghi und nach ihm weitere führende EZB-Vertreter wie Chefvolkswirt Peter Praet hatten die Erwartung geschürt, dass die Notenbank bei ihrer nächsten Sitzung am 5. Juni weitere Maßnahmen im Kampf gegen eine bedrohlich niedrige Inflation beschließen könnte.

Denkbar ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen, die eine weitere Senkung des Leitzinses unter das Rekordtief von 0,25 Prozent flankieren könnten. So sind zum Beispiel Strafzinsen auf Bankeinlagen bei der EZB denkbar – man könnte es auch Parkgebühren nennen. Sie könnten die Kreditklemme in Teilen Südeuropas lindern, denn es wird für die Banken unattraktiv, Geld bei der EZB zu parken anstatt es an Unternehmen weiterzureichen. Denkbar sind auch zusätzliche Langfristkredite für die Geldinstitute im Euroraum oder auch der Ankauf von Kreditverbriefungen (ABS).

Lagarde drängt auf Kooperation

Zuletzt hatten beispielsweise die Industrieländer-Organisation OECD und der Internationale Währungsfonds (IWF) Europas Währungshüter zum Handeln gedrängt. Allerdings: Diese Forderung erneuerte IWF-Chefin Christine Lagarde am Sonntagabend in Sintra nicht. Sie drängte vielmehr auf eine intensivere Zusammenarbeit der Zentralbanken der großen Industrie- und Schwellenländer in einer immer enger verflochtenen Welt. "Wenn die Geldpolitik nur mit einer nationalen Brille praktiziert wird, könnten wir am Ende eine Welt bekommen, die von ad hoc-Aktionen gekennzeichnet ist und in der genau das Gegenteil von Finanzstabilität in andere Länder exportiert wird", sagte Lagarde.

"Dies wäre dann eine Welt mit potenziell großen Wohlstandsverlusten, in der es nicht nur Ansteckungseffekte von Industrie- auf Schwellenländer gibt, sondern auch Rückkopplungen von aufstrebenden Volkswirtschaften auf die Industrienationen", sagte die frühere französische Finanzministerin. "Ist das eine Welt, in der wir leben wollen? Ich hoffe nicht."

Um das Ziel einer besseren Koordination der Geldpolitik zu erreichen, ist für Lagarde unter anderem eine bessere und aktivere Kommunikation der wichtigen Zentralbanken in den Industrienationen nötig, also insbesondere der EZB und der US-Notenbank Federal Reserve: "Die Industrieländer können helfen, dass es zu geringeren Schwankungen an den Finanzmärkten kommt, in dem sie den Kurs ihrer Geldpolitik klarer kommunizieren."

Draghi will Deflation verhindern

EZB-Chef Mario Draghi ist am Montag insbesondere auf die momentane Eurostärke und die niedrige Inflationsrate eingegangen, die manche Beobachter schon als mögliche Deflationsgefahr deuten. Die EZB werde bei Bedarf handeln, um ein Abgleiten der Euro-Zone in eine ruinöse Deflationsspirale zu verhindern. Zwar erwarte die Notenbank aktuell, dass die Inflationsrate auf mittlere Sicht wieder in Richtung der von ihr angestrebten zwei Prozent anzieht, sagte Draghi. "Es ist aber unsere Verantwortung, die Risiken für dieses Szenario zu sehen und uns darauf vorzubereiten, falls nötig, zu handeln."

In Medienberichten wird das dreitägige informelle Treffen in Sintra bereits als "Jackson Hole des Eurolandes" bezeichnet - also einem europäischen Pendant zu jenem geldpolitischen Gipfeltreffen, das die regionale Notenbank von Kansas City seit 1978 in Jackson Hole im US-Bundesstaat Wyoming veranstaltet.

Auch die EZB will ihr eigenes geldpolitisches Forum als Dauereinrichtung etablieren. Die Konferenz soll nach Angaben eines Sprechers künftig jährlich ausgerichtet werden, mindestens in den ersten fünf Jahren in Sintra. Der Ort ist klug gewählt: Hier bringt die portugiesische Regierung ihre Staatsgäste unter, hier herrscht ein mildes Klima, denn an den bewaldeten Hügeln regnen sich die vom Atlantik kommenden Wolken ab - nicht umsonst haben die portugiesischen Könige in den vergangenen Jahrhunderten einige Sommerresidenzen gebaut, die wieDisneyland anmuten und zahlreiche Touristen aus aller Welt anlocken.