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Stresstest 2.0

15. Juli 2011

Die Europäische Bankbehörde gibt die Ergebnisse des zweiten Banken-Stresstests bekannt. Den ersten Test empfanden die Marktteilnehmer als Lachnummer. Ist diesmal strenger geprüft worden?

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Rote Ampel vor der Banken-Skyline in Frankfurt (Foto: dapd)
Bild: AP

Viel ist im Vorfeld über Sinn und Unsinn der Stresstests, deren Ergebnisse am Freitag (15.07.2011) veröffentlicht werden, diskutiert worden. Alle irischen Banken, die wenige Wochen später den irischen Staat an den Rand des Ruins brachten, hatten den Test bestanden. Das hat viele Beobachter veranlasst, auch die zweite Übung nicht ernst zu nehmen. Doch die neu geschaffene Europäische Bankbehörde EBA (European Banking Authority) will sich auf keinen Fall nachsagen lassen, sie betreibe Sandkastenspiele. Deshalb hat sie die Bedingungen für den Stresstest 2.0 verschärft.

So hat sie alle Kennzahlen der 91 Banken, die rund 65 Prozent des europäischen Bankensektors ausmachen und in jedem Mitgliedsland mindestens 50 Prozent des heimischen Bankenmarktes ausmachen, per 31. Dezember 2010 eingefroren. Auf dieser Basis mussten die Banken zwei Szenarien durchrechnen: Was passiert mit meiner Bank in den nächsten zwei Jahren, wenn die optimistische Herbstprognose der EU-Kommission eintritt, und - interessanter: Was passiert, wenn sozusagen die Welt untergeht.

Ein Gewitter kommt

Hans-Peter Burghof (Foto: picture alliance/dpa)
Hans-Peter Burghof: "So naiv ist niemand mehr"Bild: picture alliance/dpa

Das neue Szenario hat es in sich: Die Wirtschaftsleistung in der EU bricht um vier Prozent ein, die Aktienkurse fallen im Schnitt um 15 Prozent, die Arbeitslosenquote steigt um zehn Prozentpunkte, der Immobilienmarkt verliert zehn Prozent - alles Annahmen, die im vergangenen Test viel harmloser waren. Entscheidend für jede einzelne Bank ist dabei nur eine einzige Zahl: Hat sie nach diesem Gewitter noch eine Eigenkapitalquote von fünf Prozent oder nicht? Wobei auch hier die Hürde höher gelegt worden ist. Denn die Definition der Eigenkapitalquote - also eines Risikopuffers aus eigenen Mitteln - ist diesmal viel enger gefasst als im ersten Test.

Doch was passiert, wenn man diesen Test nicht besteht? "Zunächst mal nichts, weil diese Banken ja alle anderen regulatorischen Normen einhalten. Aber wenn man tatsächlich durchfällt, sollte man schon etwas tun, um das Vertrauen der Kapitalmärkte nicht zu verlieren. In der Regel heißt das, mehr Eigenkapital bilden", sagt Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim, im Gespräch mit DW-WORLD.DE.

Länderrisiken offenlegen

Logos deutscher Banken (Grafik: DW)
Werden vermutlich den Test bestehen: Deutsche BankenBild: DW/AP

Ein Formblatt von zehn eng bedruckten Seiten muss jede Bank ausfüllen. Allein auf vier Seiten müssen die Banken angeben, welche Kredite und Staatsanleihen sie halten, für alle EU-Staaten, die USA und Japan, aufgeschlüsselt nach Betrag und Laufzeit. "Allerdings bin ich mir nicht sicher bin, ob man sich wirklich traut, bestimmte Staatsschuldszenarien zu testen", sagt Hans-Peter Burghof. "Szenarien, die mittlerweile denkbar geworden sind."

Immerhin will die Financial Times Deutschland erfahren haben, dass die Banken erstmals aufgefordert worden sind, den Ausfall griechischer Staatsanleihen durchzuspielen. Das wäre in der Tat eine kleine Sensation, denn in der offiziellen Sprachregelung der Brüsseler Behörden kommt das Wort Staatsbankrott nicht vor - und auch auf den Webseiten der Europäischen Bankbehörde findet sich dazu kein Hinweis. Allerdings:

Hosen runter

Eine Frau hält sich eine in zwei Teile getrennte Euro-Münze vor das Gesicht (Foto: picture-alliance)
Beim Eigenkapital zählt nur der harte KernBild: picture-alliance/ZB

Die Tatsache, dass jede Bank in Sachen Staatsanleihen und Länderrisiken die Hosen runter lassen muss, hat die deutschen Bankenverbände zu einem wütenden Protestbrief Richtung Brüssel veranlasst. Ihr Argument: Wenn für jede Bank die Länderrisiken offenliegen, sind sie angreifbar für Spekulationen Dritter. "Das halte ich für eine sehr realistische Gefahr", so Burghof zu DW-WORLD.DE. "Wer bestimmte Abhängigkeiten erkennt, kann das ausnutzen. Insofern ist das ein gefährliches Verfahren. Und man sieht, dass Transparenz nicht per se immer gut sein muss."

Eines ist sicher: Auch der Stresstest 2.0 wird wieder für viel Wirbel sorgen. Gedacht war er dazu, mehr Transparenz und damit mehr Vertrauen in die Branche der Finanzdienstleister zu bringen. Doch die Zeiten ändern sich, ist Burghof überzeugt: "Dass man über einen Stresstest den Menschen vermitteln kann, dass alles gut ist - so naiv ist niemand mehr."

Autor: Rolf Wenkel
Redaktion: Henrik Böhme