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Ball paradox in der Nacht der langen Messer

Bernd Gräßler28. November 2003

Sprachliche Bilder sind Glückssache. Auch im Parlament. Da geht's beim Reformpoker schon mal um sandige Augen und um Damenwahl beim Mikado. Oder so ähnlich …

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Im Bundestag warfen sich in dieser Woche Politiker von Regierung und Opposition gegenseitig vor, sie blockierten die Reformen. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement sagte, die CDU führe einen "Ball paradox" auf. Man ahnt, was er meint, aber beim "Ball paradox" herrscht Damenwahl, und Angela Merkel würde Clement wohl nie wählen.

Auf dem Tisch und unter dem Tisch

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Krista Sager regte sich in der Haushaltsdebatte so auf, dass sie die Union beschuldigte, diese streue den Menschen "Augen in den Sand". Ganz so schlimm geht es noch nicht in Berlin zu, auch wenn mit Blick auf die nächste Verhandlungsrunde im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat schon von der "Nacht der langen Messer" gesprochen wird. Eine blutrünstige Anleihe: in der Geschichte wird damit eine Augustnacht 1572 in Paris verbunden, als viele Hugenotten ermordet wurden.

In der aktuellen deutschen Politik meint man allerdings die bevorstehende lange Verhandlungsnacht im Vermittlungsausschuss am 10. Dezember. Da wird alles auf den Tisch kommen, was im nächsten Jahr noch an Reformen oder Reförmchen in Kraft treten soll. Nur wer nicht vor vier Uhr Morgens vor Erschöpfung unter den Tisch fällt, hat eine Chance seine Forderungen durchzusetzen. Bis dahin allerdings, so meinte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Peer Steinbrück, halte man es wie beim Mikadospiel: wer sich zuerst rührt, hat verloren.

Neue Taxis bracht das Land …

Gewinner in diesem gegenseitigen tatenlosen Belauern von Regierung und Opposition gibt es allerdings auch. Es sind die Raucher, denn die Erhöhung der Tabaksteuer wird nicht am 1. Januar 2004 in Kraft treten können, weil noch niemand weiß, was man auf die Millionen oder Milliarden Banderolen drucken soll. Denn auch die Tabaksteuer gehört zur großen Verhandlungsmasse im Reformpoker.

Wegen dieses Stillstandes freut man sich über jedes Zeichen von Fortschritt auf dem Weg in ein zukunftsfähiges Deutschland. Das Saarland und Niedersachsen sorgten dafür. Auf ihre Initiative hin schlug der Bundesrat vor, das abzuschaffen, was Deutschland bisher am meisten zurückgeworfen hat: die einheitliche Farbe der Taxis. Kein Bundesland solle künftig gezwungen sein, seine Taxis elfenbeinfarben zu lackieren, nein, es dürfe auch jede andere Farbe sein. Bravo! Damit wäre der erste Schritt auf dem Weg zur großen Reform des Föderalismus, gegen die Überregulierung des Landes getan.