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Baku–Ceyhan: Großprojekt von geostrategischer Bedeutung

25. Mai 2005

Die Pipeline von Baku bis an die türkische Mittelmeerküste gilt als eine der wichtigsten Pipelines der Welt. Ein Großprojekt, mit dem viele Hoffnungen, aber auch Ängste verbunden sind. DW-RADIO war vor Ort.

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Bauarbeiten an der Pipeline in der OsttürkeiBild: dpa - Bildarchiv

In diesem Sommer soll eine der längsten Pipelines der Welt in Betrieb genommen werden. Sie führt vom aserbaidschanischen Baku durch Georgien in den türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan. Bereits Ende September soll der erste Tropfen im 1750 Kilometer von Baku entfernten Ceyhan eintreffen. 2,3 Milliarden Euro kostet das Projekt insgesamt. Während der erste Streckenabschnitt bereits funktionstüchtig ist, wird weiter westlich, im gebirgigen Georgien und in der Türkei, noch unter Hochdruck an dem Rohr gebaut. Die Pipeline von Baku nach Ceyhan soll den westlichen Industriestaaten mehr Unabhängigkeit vom arabischen und vom russischen Öl sichern, und sie soll den jungen südkaukasischen Staaten wirtschaftlichen Aufschwung bringen. In Russland wird das Projekt deshalb eher misstrauisch beäugt.

Besichtigung aus der Luft

Ian Cummens, Projekt-Manager bei BP in Georgien, verstaut seine Sporttasche im Laderaum des Hubschraubers. Er wird die Nacht im Bauarbeiter-Camp in Akhaltsikhe verbringen, nicht weit weg von der türkischen Grenze, an einer der letzten Baustellen der Pipeline. Cummens ist verantwortlich dafür, dass die Röhren pünktlich am richtigen Ort liegen, dort, wo noch gebaut wird. Vor dem Einsteigen blickt er noch einmal auf die Karte: "Wir sind jetzt in Tiflis. Wir stoßen bei Marneuli auf die Pipeline, etwa 50 km vor der Grenze nach Aserbaidschan. Wir fliegen dann entlang der Pipeline bis nach Akhaltsikhe. Aus der Luft bekommt man einen besseren Überblick über die Bauarbeiten."

Ruckelnd setzt sich der Hubschrauber in Bewegung. Die Pipeline Baku-Ceyhan verläuft größtenteils unter der Erdoberfläche. Derzeit zieht sich von Baku bis ins türkische Ceyhan eine etwa 10 Meter breite Schneise. Darunter wurde das Rohr vergraben. In wenigen Jahren soll nichts mehr davon zu sehen sein. Auf der linken Seite taucht die aserbaidschanische Ebene auf.

BP in der Kritik

Der Ölmulti BP muss sich hier den Vorwurf gefallen lassen, mit einem undemokratischen Regime zusammenzuarbeiten. In Aserbaidschan regiert Ilham Aliyev. Er hat das Präsidentenamt in umstrittenen Wahlen von seinem Vater geerbt. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) beobachtete eklatante Verstöße gegen das Wahlgesetz. Die Gewinne aus dem Ölexport werden in Aserbaidschan von einem Ölfonds verwaltet - dieser untersteht einem guten Bekannten des Präsidenten. Einer der stärksten Kritiker der Pipeline in Aserbaidschan heißt Mayis Gulaliyev. Er erklärt: "Die Leute denken, nach dem Bau der Pipeline wird Aserbaidschan politisch nicht mehr von Russland abhängig sein, und es wird keine Arbeitslosigkeit und keine Armut mehr geben. Leider sind diese Hoffnungen unbegründet. Denn in Aserbaidschan gibt es keine öffentliche Kontrolle darüber, wie die Gewinne aus dem Ölexport verwendet werden. Und deswegen werden sie nur dem korrupten Regime zugute kommen." Die Manager von BP in Aserbaidschan wollen das nicht kommentieren.

Probleme und Bedenken

Der Hubschrauber fliegt dicht über dem Boden eine steilen Hang hinauf. Die Schneise, unter der die Pipeline liegt, windet sich in einem weiten Bogen. Ian Cummens beugt sich zum Fenster und deutet nach unten: "Die schwierigsten Gegenden sind für uns im Moment die Höhen. Da, sehen Sie? Da liegt noch ein Meter Schnee. Vor zwei Wochen waren es noch zwei Meter. Wir können seit Oktober dort nicht sicher arbeiten."

In Georgien verläuft die Pipeline dicht am Borjomi Nationalpark vorbei. Das sei ein Risiko, sagen georgische Umweltschützer. Denn die junge Republik setzt vor allem auf Öko-Tourismus. Die Pipeline könnte Touristen abschrecken. Die Manager von BP und georgische Experten beteuern jedoch, der Nationalpark sei nicht gefährdet. Ebenso wenig wie die berühmten Mineralquellen von Borjomi. David Glendinning ist einer der Manager im Tifliser Büro von BP und versichert: "Die Pipeline Baku-Ceyhan wurde mit extrem hohen Standards gebaut. Technische, Umweltschutz- und Sicherheitsnormen entsprechen mindestens den EU-Standards. Dass so viele internationale Teilhaber das Projekt finanzieren, hat dazu geführt, dass diese Pipeline im Vergleich zu anderen noch transparenter ist. Denn es gibt sehr viele externe Organisationen, die den Bau beobachten."

Nach einer knappen Stunde landet der Hubschrauber am Rand von Akhaltsikhe. Ian Cummens fährt direkt zur Baustelle. Neben Briten arbeiten hier unter anderem Inder, Russen, Georgier und Türken. Die Pipeline hat Jobs in die entlegenen Gegenden des Kaukasus gebracht - wenn auch nur für eine begrenzte Zeit.

Thomas Franke
DW-RADIO, 10.5.2005, Fokus Ost-Südost