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Backöfen für die ganze Welt

Henrik Böhme27. Juli 2012

Mit Wiesheu kann man weltweit ganz große Brötchen backen. Im Supermarkt und in Bäckerei-Geschäften. Das Unternehmen aus dem schwäbischen Affalterbach ist ein deutscher Mittelständler wie aus dem Bilderbuch.

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Brot © Ludwig Berchtold
Brot BrotsortenBild: Fotolia/Ludwig Berchtold

Die Geschichte vom Ladenbackofen beginnt gar nicht mit Brot oder Brötchen, sondern mit dem Leberkäse. Um diese traditionsreiche süddeutsche Fleisch-Spezialität herzustellen, braucht man einen ordentlichen Backofen. Einen solchen entwickelte ein gewisser Karl-Heinz Wiesheu, seines Zeichens Metzgermeister in Burgstetten, einer Gemeinde bei Stuttgart. Man schreibt das Jahr 1975, zwei Jahre zuvor hatte der erfinderische Meister gemeinsam mit seiner Frau Marga das Unternehmen gegründet.

Im Laufe der Zeit kommen immer neue Öfen dazu, in denen man Braten oder Backen kann. Anfang der 1980er Jahre stagniert das Geschäft. Wiesheu kommt auf die Idee, Schaubacköfen für Bäckereien und Metzgereien zu entwickeln. Das hilft der Firma aus der Krise. Bei allem, was er tat, hatte der Unternehmensgründer immer zwei Dinge vor Augen: Es solle profitabel und sozial sein.

Großer Anteil am kleinen Vorsprung

"Wir glauben, dass man profitabel und sozial und auch fair gegenüber den eigenen Mitarbeitern sein kann, wenn man ein profitorientiertes Unternehmen ist", sagt Geschäftsführer Volker Groos. Gerade, wenn man Geld verdiene, könne man sich das leisten. "Das macht auch einen großen Anteil an diesem kleinen Vorsprung aus, den man gegenüber anderen hat."

Volker Groos, Geschäftsführer der Wiesheu GmbH. Copyright: DW/Henrik Böhme
Volker Groos, Geschäftsführer der Wiesheu GmbHBild: DW

Ein Rezept, das wirkt: Im Laufe der Jahre wächst die Zahl der Mitarbeiter, die Firma braucht mehr Platz und zieht um ins benachbarte Affalterbach. Dabei ist es im Südwesten Deutschlands gar nicht so einfach, gute Leute zu bekommen, sagt Groos. Autobauer wie Daimler und Porsche sind nicht weit weg, viele große Zulieferer, bekannte Unternehmen wie Stihl und Kärcher in unmittelbarer Nähe. "Renommierte große tolle deutsche Unternehmen," sagt Groos, "da müssen wir uns schon anstrengen, aber wir versuchen mit unserer Unternehmenskultur attraktiv zu sein."

Produktionslinie der Wiesheu GmbH. Copyright: DW/Henrik Böhme
Qualität als oberstes Gebot: Aus Blechen und zahlreichen Zubehörteilen wird der Ofen montiert:Bild: DW

Umsatz steigt, Mitarbeiterzahl auch

Attraktiv scheinen auch die Produkte von Wiesheu zu sein. Rund 7000 Backöfen werden jährlich gefertigt, in Affalterbach und am zweiten Standort in Wolfen im Osten Deutschlands. Betrug der Umsatz 2011 rund 73 Millionen Euro, so werden es in diesem Jahr zwischen 80 und 83 Millionen sein, verkündet Geschäftsführer Groos nicht ohne Stolz. Überhaupt hat sich der Umsatz in den vergangenen acht Jahren verdreifacht – allein durch die Optimierung der Abläufe in der Produktion.

Ein Lager sucht man vergeblich: Vorne liegen die nackten Bleche, am Ende der Linie stehen die zum Abtransport verpackten Öfen. Marketingchef Jan Hofmaier erklärt mit der Variantenvielfalt der Produkte: "Selbst wenn wir ein Lager hätten, wäre die Wahrscheinlichkeit, dass wir den passenden Ofen für unseren Kunden am Lager hätten, relativ gering. Wir fertigen jeden Ofen speziell für den Bedarf des Kunden."

Glaube an "Made in Germany"

Der Ofen: Um die Jahrtausendwende - das Unternehmen erlebt gerade wieder schwierigere Zeiten - räumt Karl-Heinz Wiesheu die Produktpalette auf: Übrig bleiben nur noch die Ladenbacköfen für Bäckerei-Geschäfte und Supermärkte. Und Wiesheu erfindet etwas Neues: Er nennt es "Das intelligente Backsystem", kurz Dibas. Der Clou: Es ist ein Backofen mit einer Tür, die im Rahmen verschwindet. Bis heute baut das niemand so, unterstreicht Geschäftsführer Groos und erklärt gleichzeitig, warum man bei Wiesheu eben nicht die Produktion ins Ausland verlagert hat. Man versuche, so effizient wie möglich zu sein bei der Ausbildung unserer Menschen, in der Ausstattung unserer Maschinen und bei der Produktion. "Wir glauben nicht daran, dass die Zukunft in einem 'Made by irgendwem' liegt. Sondern wir glauben nach wie vor daran, das 'Made in Germany' ein Qualitätsmerkmal ist, was auch in hohem Maß in der Welt anerkannt wird."

Jan Hofmaier, Direktor Marketing Wiesheu GmbH. Copyright: DW/Henrik Böhme
Jan Hofmaier, Marketing-Direktor bei WiesheuBild: DW

Das ist der Grund dafür, dass Wiesheu komplett in Deutschland produziert, auch die Komponenten kommen fast ausschließlich von deutschen Zulieferern. "Wenn man das effizient und gut macht mit gut ausgebildeten Menschen und mit hoher Motivation, dann ist man in Deutschland wettbewerbsfähig, weil wir ja nicht nur Wettbewerbsnachteile, sondern auch viele Wettbewerbsvorteile haben."

Fertige Ladenbacköfen der Wiesheu GmbH. Copyright: DW/Henrik Böhme
Zwischen vier und sechs Stunden dauert es, bis der Backofen fertig montiert ist.Bild: DW

Transparenz als Erfolgsrezept

Was zu funktionieren scheint: Man sei schuldenfrei, so Volker Groos. Ein Kredit von der Bank: Unvorstellbar. Selbst die Firmenwagen seien alle gekauft und nicht geleast. Investiert werde nur aus dem Gewinn: Gerade wurde eine millionenteure Blechverarbeitungsmaschine angeschafft. Von Trumpf, einem Weltmarktführer aus dem benachbarten Ditzingen. An der Maschine ein Schild mit dem Preis der Maschine und dem Hinweis, sie entsprechend pfleglich zu behandeln. Ein paar Schritte weiter in der Produktionshalle eine Tafel mit allerlei Zetteln, darunter einer mit den genauen Daten zur Lage des Unternehmens, vom Auftragsbestand bis zum verfügbaren Kapital des Unternehmens. "In anderen Firmen liegt das im Tresor des Geschäftsführers", sagt Marketingchef Hofmaier, "wir hängen das hier in die Produktion." Mitarbeiter, Kunden und Besucher sollen sehen, wie es dem Unternehmen geht. Wird mal vergessen, die Zahlen auszuhängen, "reagieren die Mitarbeiter sehr sensibel."

Am Abend eines jeden Tages treten die fertigen Öfen dann von Affalterbach aus ihre Reise in die Welt an - vor allem nach Europa, aber zunehmend auch nach Russland und Asien. Lag der Auslandsanteil vor acht Jahren noch bei nur zehn Prozent, so ist es heute schon mehr als die Hälfte. Das werde weiter wachsen, sagt Geschäftsführer Groos, aber den Heimatmarkt werde man nie vernachlässigen.

Firmengründer Karl-Heinz Wiesheu hat sich vor einigen Jahren aus dem Geschäft zurückgezogen. Er und seine Frau verfolgen aber das Geschehen mit großem Interesse. Sie werden ihre Freude daran haben. Das Unternehmen platzt aus allen Nähten. Gut, dass sie hinter den Hallen noch reichlich Platz haben.