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Bücher ohne Käufer

Rafael Heiling

Europäische Philosophen-Werke oder Kochbücher - die gibt es längst auf Arabisch. Auch Buchmessen finden reichlich statt, in Ägypten, Libanon, Kuwait. Nur etwas fehlt in der arabischen Region: die Leser.

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Wenn der Leser schon nicht zum Buch kommt ...Bild: AP

Gerade hatte der libanesische Kulturclub ein Parkhaus in Beirut umfunktioniert: zur 47. Internationale Arabische Buchmesse. Religiöse Literatur, Kinder- und Lehrbücher wurden auf der Messe nicht nur ausgestellt, sondern auch gleich verkauft. Solche Veranstaltungen sind bedeutsam für die arabische Region, wo es Bücher ansonsten schwer haben, sagt Dr. Marco Schöller, wissenschaftlicher Assistent am Orientalischen Seminar der Universität Köln. "Es gibt zum Beispiel keinen zentralen Vertrieb. Das Beste ist: hinfahren und die Buchläden der Reihe nach durchsuchen."

Kein Computer, keine Liste

Die Vermarktung von Büchern sei im arabischen Raum ziemlich unorganisiert. "Heftchen, die ich in Kairo an der hintersten Straßenecke gefunden habe, haben eine ISBN-Nummer", wundert sich Schöller, "Bücher von großen Verlagen aber nicht immer. Man findet sie trotzdem fast überall." Zumindest in den Hauptstädten.

Ägypten und der Libanon gehören dabei noch zu den Literaturhochburgen. Kairos Buchmesse ist weltbekannt. "Und in Beirut sitzen die größten Verlage der arabischen Welt", sagt Schöller zu DW-WORLD. Nur: "Man kriegt nichts mehr von vor fünf Jahren", archiviert wird nicht. In Kairo oder im syrischen Damaskus hätten Verlage zwar alle Werke der letzten zehn bis zwanzig Jahre gehortet - aber ohne Listen zu führen. Wer lesen will, muss wühlen. Das hält viele ab. Und dann ist das Werk womöglich nicht einmal da. "Versuchen Sie mal, was aus dem Jemen zu kriegen", sagt Schöller. "Deshalb sind Buchmessen so wichtig. Da sind auch Bücher aus dem Sudan oder aus Mauretanien."

Anzügliches muss meist raus

Oder aus Deutschland. Philosophen wie Heidegger oder Habermas sind bei den Übersetzungen weit vorne, "auch die französischen, Sartre und so", erklärt Schöller. Allerdings "hört es nach den 50er Jahren auf." Sogar Dichter würden importiert. "Paul Celan und Gottfried Benn zum Beispiel - dabei wird das auf Arabisch völlig unverständlich. Oder Goethes schönste Gedichte, das geht schon eher. Ist aber alles kein großer Markt, fürchte ich."

Ob Roman, Kochbuch oder Medizin-Nachschlagewerk: Nicht alles geht ungefiltert durch. In manchen Staaten wird zensiert, berichtet Schöller. "Das ist schon vorgekommen. Auch bei arabischen Werken, die teilweise schon hundert Jahre alt sind. Homosexuelle oder anzügliche Gedichte oder Beischlaf-Führer, von denen es früher eine ganze Reihe gegeben hat – sowas wird heute nicht mehr gemacht." Allerdings hätten die Staaten schon unterschiedliche Schwerpunkte: Syrien tilge eher Politisches, Ägypten eher nackte Körper; der Libanon sei dagegen sehr liberal. "Natürlich schaut der Staat drauf", sagt Schöller. "Aber viele Verlage machen das aus persönlichen Gründen schon selber."

Teuer und schwer verständlich

Und da hätten sie eine Menge zu begutachten. "Gerade zu aktuellen Sachen, da erscheint massenhaft Arabisches. Es ist nur nicht immer die literarische Offenbarung", erklärt Schöller. Er fragt sich: "Wer liest das alles?" Denn "die Leselust ist auf dem Land nicht so groß". Zum einen seien die Bücher in einer schwierigen Hochsprache verfasst - und einige Minderheiten hätten nicht einmal Arabisch als Muttersprache. Zum anderen seien Bücher für die dortigen Verhältnisse teuer, das könne sich nicht jeder leisten, sagt der Orient-Fachmann: "Und die Eliten, die das Geld haben, gucken MTV und kaufen sich die 'Herald Tribune'."