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Bäumchen, wechsle dich!

Bernd Riegert7. April 2004

Romano Prodi, Präsident der EU-Kommission, freut sich wie ein Honigkuchenpferd: Sollen doch seine Kommissare Arbeit finden, wo's ihnen beliebt! Schließlich liebäugelt er selbst mit einer Karriere an der "Heimatfront".

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"Europäisches Spitzenpersonal ist überall heiß begehrt", lächelt der linke Wirtschaftsprofessor Prodi, der 2006 den rechten Medientycoon Silvio Berlusconi in Italien im Amt des Ministerpräsidenten ablösen will. Die Amtszeit der EU-Kommission endet erst Ende Oktober, doch schon jetzt haben die Komissiare vor allem ihre Anschlussverwendung im Sinn.

Ur-komische Seitenwechsel

Der bisherige EU-Währungskommissar Pedro Solbes geht als Superminister für Wirtschaft und Finanzen nach Madrid. Fortan sitzt Solbes also im Finanzministerrat der EU, den er selbst vor dem Europäischen Gerichtshof wegen der Aussetzung des Stabilitätspaktes verklagt hat. Sollten extreme Gerüchte aus Berlin stimmen, könnte Bundeskanzler Gerhard Schröder seinen glücklosen Finanzminister Hans Eichel bei einer Kabinettsumbildung im Sommer nach Brüssel entsorgen wollen. Dann könnte Eichel als EU-Kommissar enden. Er würde von der Beklagten- auf die Klägerseite wechseln. Die beiden Lieblingsfeinde Solbes und Eichel könnten sich weiter beharken, nur mit getauschten Rollen.

Außenminister auf Tauschposten

Ähnliche Wechselspiele vollziehen sich auch bei den Außenministern. Der neue französische Außenminister Michel Barnier ist ein treuer Gefolgsmann seines nach verlustreichen Regionalwahlen in die Bredouille geratenen Präsidenten Jacques Chirac. Barnier ist ein alter Bekannter in Brüssel. Er war bis vor wenigen Tagen EU-Kommissar für Regionalförderung und Verfassungsfragen. Nun wird er wohl im ständigen Ringen zwischen Rat und Kommission andere Standpunkte vertreten.

Einen anderen Hut setzt sich auch der neue spanische Außenminister Miguel Angel Moratinos auf. Er war bislang Beauftragter im Rat für den Nahen Osten. Jetzt rückt er in die Chefetage vor. In die andere Richtung vom Ministerrat in die Kommission wird ebenfalls gewechselt: Die Außenministerin des neuen EU-Staates Lettland, Sandra Kalniete, gibt ihr Ministerium für einen Posten als EU-Kommissarin in Brüssel auf. Die litauische Finanzministerin Dalia Gribauskaite wechselt ebenfalls auf einen Sessel in Brüssel. Genauso wie die Europaminister Janes Potocnik aus Slowenien und Danuta Hübner aus Polen.

Einfach weiterwurschteln

Der Nachfolger von Kommissionspräsident Romani Prodi wird hinter den Kulissen schon heftig gesucht. Beim EU-Gipfel im Juni soll die irische Präsidentschaft einen veritablen Kandidaten oder eine Kandidatin präsentieren, vorzugsweise einen gelernten Regierungschef. Sollten die Konservativen bei den Wahlen zum Europäischen Parlament wieder die stärkste Fraktion stellen, gelten der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker als heiße Anwärter. Juncker dementiert zwar heftig, aber das ist in Brüssel das sicherste Zeichen dafür, dass jemand den Job wirlich haben will.

Angesprochen auf die Wechselspiele an der Spitze, meinte ein EU-Beamter stoisch: "Wir arbeiten in unseren Direktoraten einfach weiter, auch wenn es oben etwas ausfranst."