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Außer Spesen nichts gewesen?

Rolf Wenkel, z. Zt. in Evian3. Juni 2003

Vom G-8-Gipfel in Evian kann man keine Wunder erwarten. Ein Kommentar von Rolf Wenkel.

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Der Weltwirtschaftsgipfel im französischen Evian am Genfer See wird vermutlich nicht in die Annalen der Geschichte eingehen. Doch Hand auf’s Herz: Welcher Gipfel tut das schon? Der einzige, der im öffentlichen Gedächtnis geblieben ist, war in Genua im Jahr 2000. Und das auch nur, weil dort bei gewalttätigen Ausschreitungen und übertrieben harten Polzeieinsätzen ein Student ums Leben kam. Doch weiß noch jemand, was in Genua beschlossen wurde? Wohl kaum.

Der einzige, der in Evian so ziemlich alles erreicht hat, was er
wollte, heißt George W. Bush. Keine 24 Stunden brauchte er, um den Gipfel in Frankreich zu seinem persönlichen Erfolg zu machen. Nachdem er den Irak aus der Achse des Bösen herausgebrochen hat, sind nun die verbliebenen zwei Schurken dran: Der Iran und Nordkorea. Die Gruppe der Acht verwarnte in harschen Worten die beiden Atommächte. Sie
sollen ihre Atomwaffenpläne vollständig offenlegen. Außerdem wird der Kampf gegen den internationalen Terrorismus intensiviert. Und schließlich haben sich die sieben führenden Wirtschaftmächte und Russland verpflichtet, beim Aufbau des Irak zu kooperieren.

Mit diesen drei Ergebnissen im Gepäck hat der mächtigste Mann der Welt den Gipfel vorzeitig verlassen, um in den Nahen Osten weiter zu reisen, wo er Wichtigeres zu tun hat. Dort will er den Friedensprozess voran bringen, doch dazu braucht er die G-8 nicht.

Und was machen die? Sie veröffentlichen viel beschriebenes Papier. Stellungnahmen, Statements, Aktionspläne, Ankündigungen, Versprechen. Die Weltkonjunktur soll wieder flott gemacht werden, die gegenwärtige Verhandlungsrunde zur Liberalisierung des Welthandels soll 2004 erfolgreich beendet werden. Dann könnten auch die ärmsten Länder von den Segnungen des freien Welthandels profitieren. Ein
Afrika-Aktionsplan soll zudem einen ganzen Erdteil zu mehr
Sicherheit, Demokratie und zu wirtschaftlicher Prosperität
verhelfen.

Doch bei der Flut der Papiere, die kistenweise in das Pressezentrum in der Nähe von Evian gekarrt wurden, kommen bei so manchem Beobachter Zweifel auf: Wie haltbar und belastbar sind solche Erklärungen, was bringen sie wirklich an Fortschritt? Wenn die Europäer ihren Bauern weiter mit Milliardensubventionen helfen, dann haben die Entwicklungsländer nie eine Chance auf fairen Wettbewerb
auf den Agrarmärkten – das geben auch westliche Diplomaten unter der Hand zu.

Andererseits muss man Veranstaltungen wie den G-8-Gipfel auch etwas in Schutz nehmen, darf man nicht zu hart mit ihnen ins Gericht gehen. Was die G-8 in gemeinsamen Statements erklären, das hat eben das Gewicht der acht mächtigsten Nationen der Welt, hat eine psychologische Wirkung, die man nicht unterschätzen sollte. Die G-8
bewegen viel, was nicht unmittelbar sichtbar wird.

Die Regierungschefs treffen sich in dieser Runde zwar nur ein mal im Jahr. Dazwischen aber liegen ständige Konsultationen auf der Ebene der Minister und der höchsten Regierungsbeamten. Sie arbeiten flexibel und effizient, arbeiten an vielen kleinen Fortschritten, die nicht immer in die Schlagzeilen kommen, sich nicht immer gleich in Millionen und Milliarden ausdrücken lassen. Die aber auf Dauer Wirkung zeigen.

Es ist leichter, im Irak Massenvernichtungswaffen zu finden, als in Afrika Hunger, Armut, Seuchen und Bürgerkriege zu beenden, so hat ein Vertreter einer Entwicklungshilfe-Organisation diesen Gipfel in Evian zynisch kommentiert. Der Mann hat vermutlich recht. Nur: Wunder kann niemand erwarten. Auch nicht von den wichtigsten Industrienationen
dieser Welt.