Australien liefert mutmaßlichen Nazi-Kriegsverbrecher nicht aus
15. August 2012Den Tatbestand des Kriegsverbrechens, für den Charles Zentai (Artikelbild) zur Verantwortung gezogen werden solle, habe es zu der fraglichen Zeit in Ungarn nicht gegeben, begründete der Oberste Gerichtshof des Landes seine Entscheidung. Die Richter erklärten einen Auslieferungsbeschluss der Regierung für nichtig. Gegen das Urteil sind keine Rechtsmittel mehr möglich.
Dem heute 90-jährigen Zentai wird von der ungarischen Justiz vorgeworfen, als Mitglied der mit den deutschen Nationalsozialisten verbündeten ungarischen Armee im Jahr 1944 einen 18-jährigen Juden gemeinsam mir zwei weiteren Soldaten geschlagen und getötet zu haben, weil dieser keinen Davidstern trug.
Zentai hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen und sich darauf berufen, nur Befehle ausgeführt zu haben. Auch sei er zum Zeitpunkt der Tat gar nicht in Ungarn gewesen. Die beiden anderen Männer wurden für die Tat noch in den 1940er Jahren zu Gefängnisstrafen verurteilt.
Zentai reiste im Jahr 1950 nach Australien aus und nahm 1958 die Staatsbürgerschaft des Landes an. 2005 wurde er nach einem Auslieferungsbegehren Ungarns festgenommen. 2009 ordneten die Behörden seine Überstellung an, die 2011 gerichtlich gestoppt wurde.
Wiesenthal-Zenrum entsetzt
Das auf das Aufspüren von NS-Kriegsverbrechen spezialisierte Simon-Wiesenthal-Zentrum in Jerusalem, auf dessen Fahndungsliste Zentai seit Langem steht, reagierte entsetzt. Zahlreiche Nazi-Kriegsverbrecher seinen von ihren Zufluchtsländern an Deutschland ausgeliefert worden, um sich dort wegen Taten zu verantworten, die nicht als Verbrechen galten, als sie begangen wurden, heißt es in einer Stellungnahme des Zentrums. Die Entscheidung des Gerichtshofs sei ein "trauriger Abschluss in Australiens völlig gescheiterten Versuchen, auch nur einen der zahlreichen Nazi-Kriegsverbrecher vor Gericht zu stellen, der Unterschlupf" in Australien gefunden habe, sagte der Leiter der Organisation, Efraim Zuroff.
gmf/hp (afp, dpa, rtr)