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Spuren der deutschen Geschichte

Gero Schließ27. April 2016

Berlin hat eine neue Attraktion: Die Ausstellung "Enthüllt" zeigt Denkmäler, die kaum einer zuvor gesehen hat. Warum? Sie wurden im Laufe der Zeit versetzt, umgestaltet, beschädigt, abgebaut oder in Depots verbannt.

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Denkmalsensemble der Siegesallee, Foto: Gero Schließ
Bild: DW/G. Schließ

Das hat es noch nicht gegeben, weder in Paris, London oder New York: Denkmäler, die verbannt waren, kommen noch einmal zu Ehren. Das sei tatsächlich einzigartig in der Welt, sagt Andrea Theissen, Leiterin des Museums in der Zitadelle Berlin im Gespräch mit der DW. Die Ausstellung "Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler" zeigt originale politische Denkmäler aus Berlin, in denen sich die Geschichte der Deutschen vom 18. Jahrhundert bis zur Zeit der Wiedervereinigung ablesen lässt. Ob das berühmt-berüchtigte Lenin-Denkmal von Nikolai Tomski, Arno Brekers "Zehnkämpfer" oder die Denkmäler der Siegesallee mit gekrönten Häuptern preußischer Provenienz: Alle der jetzt gezeigten Ausstellungsexponate fristeten bislang ein Schattendasein in Museumsdepots oder waren sogar tief im Erdreich vergraben.

Das zeigt, wie schwer es den Deutschen fällt, mit politisch geprägter Kunst umzugehen. "Solche Denkmäler sind immer auch politische Statements", sagt Andreas Nachama, der als Direktor der Stiftung Topographie des Terrors die Ausstellung wissenschaftlich beriet.

Diskussion um Denkmäler

Und an diesen Statements lassen sich auch die Brüche innerhalb der deutschen Geschichte ablesen: Vom Königtum Preußen über das Kaiserreich, die Weimarer Republik und Nazi-Deutschland bis hin zum geteilten Deutschland. Während etwa die Denkmäler verschiedenster Epochen die französische Hauptstadt Paris zieren, wurden sie in Berlin regelmäßig abgeräumt. Das spektakulärste Beispiel hierfür ist das gewaltige Lenin-Denkmal von Nikolai Tomski, das am 19. April 1970 im Rahmen einer Großveranstaltung vor mehr als 200.000 Menschen feierlich enthüllt wurde.

Nach dem Fall der Mauer wurden viele Ost-Berliner Denkmäler abgerissen, darunter auch Tomskis Leninstatue, die umgehend in der Erde vergraben wurde. Andrea Theissen erinnert sich noch, wie kontrovers diese Entscheidung damals diskutiert wurde. "Ich glaube, dass mittlerweile auch bei den Politikern ein Umdenken stattgefunden hat. So etwas würde heute nicht mehr passieren", sagt die Museumsleiterin.

Nikolai Tomski, Kopf des Lenin- Denkmal, Foto: Gero Schließ
Kopf des Lenins DenkmalsBild: DW/G. Schließ

Spuren der Geschichte

Statt die Denkmäler abzubauen, wäre es besser gewesen, mit ihnen zu arbeiten und die Diskussion in die Stadt zu tragen. Auch jetzt habe es um die Lenin-Statue wieder eine "ellenlange Diskussion" gegeben. Doch als Dokument politischer Zeitgeschichte gehört sie in die Ausstellung. So ist Tomskis archaischer Lenin-Kopf einer der Höhepunkte im Museum geworden. Ein anderer Höhepunkt ist das Denkmalensemble der Siegesallee, das Kaiser Wilhelm II. im Tiergarten errichten ließ.

Zwei Denkmäler von König Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise, Foto: Gero Schließ
Erdmann Encke: König Friedrich Wilhelm III. und Königin LuiseBild: DW/G. Schließ

Von den einstigen 96 Einzeldenkmälern, die den Plänen von Adolf Hitlers Architekt Albrecht Speer für die gigantomanische "Reichshauptstadt Germania" weichen mussten, haben es über 70 erhaltene Standbilder in die Spandauer Ausstellung geschafft. Viele zeigen Einschusslöcher, entstellte Gesichter oder abgeschlagene Gliedmaßen. Auch wieder Spuren der Geschichte, diesmal des sogenannten "Endkampfs um Berlin."

Anrührende Skulpturen

Neben den politisch-staatsmännischen Denkmälern sieht man in der Spandauer Ausstellung auch Beispiele anrührender Bildhauerkunst, die Intimität und Privatheit zulässt. Etwa das Originaldenkmal König Friedrich Wilhelms III., der auf einem Spaziergang im Tiergarten um seine tote Ehefrau trauert: Um die beim Volk äußerst populäre Königin Luise, die in der Ausstellung gleich neben ihm zu sehen ist.

Denkmal für die gefallenen Eisenbahner, Foto: G. Schließ
Das Denkmal für die gefallenen Eisenbahner ist jetzt erstmals in einem Museum zu sehenBild: DW/G. Schließ

Oder Emil Cauers "Denkmal für die gefallenen Eisenbahner" aus dem Jahre 1928, das einen kräftigen Mann zeigt: Er ist in sich versunken, ganz zurückgenommen. Ein typisches Beispiel für die Denkmalskultur der Weimarer Republik. Nach Ende des Ersten Weltkriegs entstanden Denkmäler für die mehr als zwei Millionen gefallenen deutschen Soldaten, die über das ganze Berliner Stadtgebiet verteilt waren. So bietet diese einzigartige Ausstellung nicht nur etwas für den politischen Intellekt, sie schult auch Sinne und Emotionen und lässt Geschichte lebendig werden.