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Aussichten für die ungarische Wirtschaft

28. März 2002

- Abhängigkeit Ungarns von den EU-Ländern sei größer als vormals die von den Warschauer-Pakt-Staaten

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Budapest, 27.3.2002, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch, Pal Papp

Ungarn ist wirtschaftlich von der EU abhängig, hat eine Landwirtschaft in Dauerkrise und besitzt Nachholbedarf auf den Gebieten der Aus- und Weiterbildung: Auf diesen Nenner brachte Ex-Finanzminister Mihaly Kupa, der jetzt der neuen Zentrumspartei vorsteht, die Defizite des Donaulandes. Im Allgemeinen stellte der populäre Politiker der Lage und möglichen Entwicklung der Wirtschaft (...) aber ein sehr gutes Zeugnis aus.

Kupa beschrieb, dass sich die Wirtschaft Ungarns seit 1996 auf Entwicklungskurs befinde, selbst wenn das Tempo in den letzten anderthalb Jahren etwas nachgelassen habe. Ungarn betreibe heute schon das klassische Modell einer europäischen Marktwirtschaft: 1,1 Millionen Unternehmen sind tätig, 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts werden von der privaten Sphäre erwirtschaftet. Das heutige Ungarn sei mit 75 Prozent der Exporte und zwei Dritteln der Importe in die EU integriert, 80 Prozent der Banken haben Mit-Eigentümer in den EU-Ländern, die fünf größten europäischen Einzelhandels-Häuser beteiligen sich mit 40 Prozent am Handelsumsatz Ungarns.

Ein Jahreswachstum zwischen drei und sechs Prozent gelte auch in den kommenden Jahren als sicher, dennoch weise die Wirtschaft aber auch Schwächen auf. Die Fähigkeit Ungarns zur Absorption des Aktivkapitals und die Kapitaleinfuhren haben sich nicht intensiv genug gebessert. Ihr Anteil an der wachsenden Wirtschaft sinkt mit jährlich etwa zwei Milliarden Euro ständig. Immer noch viel zu niedrig sei auch die Bereitschaft zu Spareinlagen, bemängelte Kupa.

Unzureichend seien auch das Volumen und die Rate der Investitionen: Die ungarischen Exporte sind höher als die Investitionen und der Verbrauch des Landes zusammen. Die Abhängigkeit Ungarns von den EU-Ländern sei größer als vormals die von den Warschauer-Pakt-Staaten. Die nach 1990 verlorengegangenen Märkte im Osten könnten in den kommenden Jahren zum Teil zurückgewonnen werden.

Zu den weiteren Schwächen Ungarns gehöre die Lage der Landwirtschaft und der mittelständischen Betriebe. Ihnen fehlt es an Kapital und Liquidität. Besonders negativ wirke sich das niedrige Niveau der hoch gepriesenen Informatikgesellschaft aus. "Der Anteil des E-Business und E-Commerce stellt bei ungarischen Unternehmen nur einen Bruchteil dessen dar, was sich bei den Konkurrenten im Ausland im Einsatz befindet", klage Kupa. Zudem müssten der Gesellschaft Public Relations und Marketing nähergebracht werden.

Ebenfalls soll die Aufmerksamkeit der Investoren von Klischees auf die tatsächlichen Möglichkeiten gelenkt werden. "Hierfür ist das von der Regierung favorisierte Zentrum für Landesimage wohl nicht geeignet. Es müssen Profis her, die den Investoren erläutern können, weshalb es von Vorteil sein kann, nach Ungarn zu kommen", so der Ex-Minister.

Auf dem Gebiet der Aus- und Weiterbildung habe Ungarn auch Nachholbedarf. Manche Investition scheitere an den fehlenden Fachkräften. An den Universitäten müssten Professoren besser entlohnt und die Institute besser ausgerüstet werden. "Ungarn ist in der Lage, eine normale Entwicklung einzuschlagen", zog Kupa als Fazit. "Aber dafür müssen wir das geistige Kapital besser nutzen und effektiveres Marketing betreiben."

Seine Zentrumspartei habe sich ein Demokratiemodell á la Schweiz zum Ziel gesetzt, sie suche nach Einigung und nicht nach Konfrontation. Das Zentrum sehe jede Art der eigenständigen Verwaltung als die höchste Form der Demokratie an. Kupa: "Unser oberstes Ziel ist es, den Menschen zu zeigen, dass man auch ehrlich Politik betreiben kann." (ykk)