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Ausnahmezustand in Belgien

Julia Elvers3. März 2004

Die Belgier sind einiges gewohnt - nur mit Schnee können sie absolut nichts anfangen. Schon geringste Mengen des weißen Stoffs bringen den Alltag zwischen Brüssel und Ostende völlig durcheinander.

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Es waren nur zehn Zentimeter. Doch die reichten aus, um ein ganzes Land ins Chaos zu stürzen. Weiß, locker-flockig und so schön, wie ihn sich jeder zu Weihnachten wünscht: reiner Schnee, ganz unverhofft und für belgische Verhältnisse unverhältnismäßig viel.

Zehn Zentimeter. Die Folgen waren verheerend. Dabei ist der Belgier eigentlich daran gewöhnt, dass so Einiges aus seinem Himmel fällt. Zumindest Brüssel ist für seinen ständigen Regen berühmt-berüchtigt. Doch dieses Mal kam es härter. Aus Regentropfen wurden Schneeflocken, die sich gegen vier Uhr morgens langsam auf Häusern, Dächern und Straßen niederließen und dann ganz dreist liegen blieben - bis in den morgendlichen Berufsverkehr hinein. Und das war fatal.

Frau Holle lässt grüßen

Eigentliches Tagesprogramm: Dreh in Baarle-Hertog, einer belgischen Enklave in den Niederlanden, fünf Kilometer nördlich der belgisch-niederländischen Grenze. Von Brüssel aus schlappe 100 Kilometer und normalerweise locker in eineinhalb Stunden zu schaffen. Um acht Uhr ruft eine der Interviewpartnerinnen an und fragt, ob man auch wirklich kommen wolle.

Na klar, sagt die schneeerprobte Journalistin aus Norddeutschland und wundert sich ein wenig über diese Frage. Da hatte sie das Ausmaß der belgischen Schnee-Katastrophe noch nicht erfasst. Das tat sie spätestens dann, als Kamera- und Tonmann eintrudelten: eineinhalb Stunden später als verabredet. Aus dem Brüsseler Vorort, aus dem das Team gekommen war, brauchte es bei diesen Schneemassen statt der üblichen fünfzehn Minuten eben eineinhalb Stunden bis ins Stadtzentrum.

Weiches Weiß mit knallharten Effekten

Zehn Zentimeter. Damit hatte anscheinend niemand gerechnet. Wettervorhersage? Öffentlicher Winterdienst? Räum- und Streufahrzeuge suchte man vergeblich. Völliges Verkehrschaos auf allen Straßen. Im Schneckentempo ging es wieder aus Brüssel hinaus Richtung Norden, Richtung Enklave. Schnee und Matsch von allen Seiten.

In Antwerpen ging gar nichts mehr. Zwei, drei Kilometer pro Stunde waren gerade noch drin. Immerhin informierte das Radio ausführlich über die Lage im Lande. Der Schnee beherrschte alle Nachrichtensendungen. 1100 Kilometer Stau allein in Flandern! Eintausendeinhundert! Sie meinen, so viele Straßen hätte ganz Belgien nicht? Na, dann wurde vielleicht jede Autobahn-Spur einzeln gezählt...

Es lebe die belgische Infrastruktur!

Doch nicht nur auf den Straßen war kein Durchkommen: Auch das Telefonnetz war völlig überlastet. Man musste schon ein paar Mal wählen, um - wem auch immer - mitteilen zu können: "Ich komme zu spät!" Häufige Antwort: "Ich stecke auch fest!" Wir waren nicht die einzigen an diesem Ausnahmetag.

Im Auto saß man immerhin im Warmen. In weiten Teilen des Landes fiel der Strom aufgrund der Schneemassen zeitweise aus und ließ die Menschen bibbern. Flugzeuge hatten Verspätung, Züge fielen aus, die Fußballspiele für das bevorstehende Wochenende wurden abgesagt. Enklave hin oder her - nach zweieinhalb Stunden Stop and Go und 37 zurückgelegten Kilometern war das Maß voll; umdrehen statt drehen!

Der Schnee hatte uns besiegt - ganze zehn Zentimeter.