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22. Oktober 2002

Fernsehen und Radio sollen zukünftig digital über den Äther gehen. Berlin macht als erste Stadt der Welt ernst und wird analoge Frequenzen abschalten. Wer kein modernes Empfangsgerät kauft, guckt in die schwarze Röhre.

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Als Medienpartner der Weltausstellung in Hannover präsentiert ARD Digital in einer futuristischen Rauminstallation aus 990 transparenten Quadern Technik und Programm des Fernsehens von morgen. Im NORD/LB-Forum zwischen Halle 17 und 18 der Expo erlebt der Besucher den "Blauen Raum" als ästhetischen Akzent und informative Antwort auf die Fragen der digitalen Fernsehwelt (undatierte Aufnahme). Auf 31 Monitoren liefern Kurzfilme prägnante Informationen zur Entwicklung von ARD Digital und der neuen Verbreitungstechnik DVB-T (Digital Video Broadcasting Terrestrial). (ACHTUNG: Abdruck nur mit Nennung: "Bild: ARD/Johann Hinrichs".)Bild: dpa

Zahlen sie 200 Euro oder ihr Fernseher bleibt stumm! Vor dieser Entscheidung stehen demnächst mehr als 150.000 Haushalte in Berlin und Brandenburg. Der Grund dafür: Nach einer Entscheidung der Medienstalt der beiden Länder werden TV- und Hörfunk-Programme in der Hauptstadt bald nur noch digital verbreitet, nicht mehr analog. Herkömmliche Empfangsgeräte können "digital verwürfelte Frequenzen" jedoch nicht entschlüsseln. Darum muss ein Decoder her, und der ist unter 200 Euro nicht zu haben. Schrittweise soll der Rest Deutschlands dem Berliner Beispiel folgen.

"Analog zu senden ist eine Verschwendung von Ressourcen" meint der Medienrechtler und Gutachter Dr. Andreas Grünwald zu der Umstellung. Denn Funkfrequenzen gibt es nicht unbegrenzt und mit der digitalen Technik können auf einer Frequenz mehrere Programme gleichzeitig verbreitet werden. "Allerdings ist noch kein Land soweit gegangen, die alte analog-terrestrische Verbreitung wirklich einzustellen", erklärt er im Gespräch mit DW-WORLD. Statt bisher - je nach Region - fünf bis zehn, wird man dann mit entsprechenden Geräten mehr als 20 Programme auch ohne Kabel oder Satellitenschüssel empfangen können.

Der Zeitplan steht fest

Ab 1. November werden vier öffentlich rechtliche und drei private Kanäle digital ausgestrahlt, gleichzeitig jedoch auch noch analog-terrestrisch. Ab 28. Februar 2003 ist alles private nur noch digital verfügbar. Die öffentlich-rechtlichen Programme, wie ARD und ZDF werden noch bis August 2003 auf – allerdings schwachen - analogen Frequenzen weiter senden. Dann ist auch damit Schluss. Wer dann noch keinen Decoder hat, sieht nichts mehr.

Digitales Fernsehen via Antenne gibt es bereits in Großbritannien und in den USA, allerdings nur zusätzlich, nicht ausschließlich, wie es nun in Deutschland versucht werden soll. Mit sanftem Druck will man hierzulande beschleunigen, was jenseits des Atlantiks bisher doppelte Kosten, statt Steigerung der Effektivität verursachte. Weil die US-Verbraucher einfach keine Decoder kaufen, senden die digitalen Frequenzen vor allem ins Leere, die immerhin noch 30 Prozent nichtverkabelten Amerikaner begnügen sich standhaft mit dem altmodischen analogen Empfang.

"In Deutschland sind die Vorraussetzungen anders. 60 Prozent der Haushalte sind verkabelt, ungefähr 35 Prozent haben Satellitenempfang", erklärt Andreas Grünwald. Der Widerstand der verbleibenden fünf bis sieben Prozent gegen die technische Umstellung könnte jedoch juristisch interessant werden.

Juristische Folgen

Um möglichen Klagen wegen sozialer Benachteiligung und der vom Verfassungsgericht stets betonten Pflicht der Sender zur terrestrischen Grundversorgung schon im Vorfeld entgegenzuwirken, will man an Sozialhilfeempfänger die teuren Decoder möglichst kostenlos abgeben. Die bei dem deutschen Modellversuch federführende Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg will diese Geräte passender Weise aus Mitteln der Fernsehlotterie mitfinanzieren.

Welche Chancen mögliche Klagen einzelner Verbraucher gegen die von oben verordnete technische Umstellung haben, lässt sich schwer beurteilen. Erst vor einigen Monaten klagte ein Zuschauer vor dem Kölner Verwaltungsgericht gegen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, weil diese, um weitere Lizenzgebühren zu sparen, Fußballspiele zwar über Kabel nicht aber via Satellit ausstrahlten. Die Klage wurde abgewiesen mit der Begründung, dass es wegen der hohen Lizenzgebühren unverhältnismäßig sei, wenn für die Versorgung der kleinen Minderheit von Nutzern der Satellitentechnik die Gebühren der Mehrheit mit ausgegeben werden müssten. Da die Senderkosten für den herkömmlichen Antennenempfang mittlerweile ebenfalls "unverhältnismäßig" hoch seien, sehen die Befürworter der radikalen Umstellung und Frequenzabschaltung eventuellen Klagen gelassen entgegen.