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Ausgangssperre in Cizre soll enden

12. September 2015

Nach massiven internationalen Protesten sollte am Morgen die Ausgangssperre im türkischen Cizre aufgehoben werden. Zur Lage in der abgeriegelten Stadt gibt es widersprüchliche Angaben.

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Soldaten an einer Straßensperre auf einer Hauptstraße nach Cizre (Foto: Reuters)
Soldaten an einer Straßensperre auf einer Hauptstraße nach CizreBild: Reuters/Sertac Kayar

Die seit acht Tagen bestehende Ausgangssperre in der Stadt Cizre im Südosten der Türkei sollte an diesem Samstag um 07.00 Uhr morgens enden. Dies kündigte der Gouverneur der Provinz Sirnak, Ali Ihsan Su, am Freitag an. In der 120.000-Einwohner-Stadt Cizre, einer Hochburg der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), liefern sich türkische Soldaten und Polizisten mit kurdischen Rebellen seit Tagen heftige Gefechte. Nun teilte der Gouverneur von Sirnak mit, das türkische Militär habe seinen Einsatz "erfolgreich" beendet.

Widersprüchliche Angaben

Kurdische Parlamentarier und Kabinettsmitglieder hatten sich auf den Weg nach Cizre gemacht, weil sie den Tod vieler Zivilisten befürchten, waren aber von der türkischen Armee gestoppt worden. Nach Angaben der prokurdischen Partei HDP wurden mindestens 21 Zivilisten getötet, darunter auch Kinder. Die türkische Regierung erklärte hingegen, mehr als 30 PKK-Kämpfer und ein Zivilist seien getötet worden.

Der HDP-Abgeordnete Osman Baydemir wird am Freitag daran gehindert, nach Cizre zu betreten (Foto: Reuters)
Der HDP-Abgeordnete Osman Baydemir wird am Freitag daran gehindert, nach Cizre zu betretenBild: Reuters/S. Kayar

HDP-Chef Selahattin Demirtas hatte der Armee vorgeworfen, die Bevölkerung als Geisel zu nehmen. Es werde auf alle geschossen, die sich auf die Straße trauten. Es fehle auch an Wasser und Nahrungsmitteln. Die Ausgangssperre komme einem "Todesurteil" gleich, sagte Demirtas.

Der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muiznieks, rief die türkischen Behörden auf, unabhängige Beobachter nach Cizre an der Grenze zum Irak zu lassen. Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International zeigte sich "äußerst besorgt" und verlangte freien Zugang der Bewohner zu Lebensmitteln und medizinischer Versorgung.

Vor dem Krisentreffen der EU-Innenminister zur Flüchtlingsfrage am Montag wandten sich mehrere Mitgliedstaaten gegen den Plan von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, die Türkei auf eine Liste sicherer Herkunftsländer zu setzen. Es hätten "noch eine ganze Reihe von Mitgliedstaaten erhebliche Bedenken", sagte ein EU-Diplomat in Brüssel.

Ruf nach Verhandlungen

Der Präsident der kurdischen Autonomiegebiete im Nordirak, Massud Barsani, rief die Türkei und die PKK zu einem sofortigen Ende der Gewalt und zu neuen Verhandlungen auf. Die jetzigen Kämpfe führten nur zu Blutvergießen und einem Anstieg der Opferzahlen.

Grünen-Chef Cem Özdemir sprach sich angesichts der Gewalt in der Türkei dagegen aus, im November das Treffen der G20-Staats- und Regierungschefs im türkischen Küstenort Antalya abzuhalten. "Wir müssen auf Präsident Erdogan einwirken", sagte Özdemir der Zeitung "Die Welt". "Ich kann mir nicht vorstellen, wie der G20-Gipfel im November in Antalya angesichts der Bilder von Cizre stattfinden soll."

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir im Bundestag (Archivbild: dpa)
Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir im Bundestag (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Im Nordirak bombardierte die türkische Armee derweil erneut PKK-Stellungen. Bei Luftschlägen in der Nacht zum Freitag seien mindestens 60 "Terroristen" getötet worden, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf Sicherheitskreise. 21 Kampfjets hätten 64 Ziele angegriffen. Dabei sei auch das bislang größte Munitionslager der PKK vernichtet worden. Die PKK-nahe Nachrichtenagentur Firat bestätigte, dass es zu Luftangriffen im Nordirak gekommen sei, machte aber keine Angaben zu Opfern.

Bei einer mutmaßlichen PKK-Attacke im Südosten der Türkei wurden wiederum ein Zivilist getötet und drei Polizisten verletzt. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen eröffneten mutmaßliche PKK-Kämpfer das Feuer auf einer Caféterrasse im Zentrum der Stadt Diyarbakir. Dabei seien ein 22-jähriger kurdischer Kellner des Cafés getötet und drei Polizisten verletzt worden.

Der Konflikt in der Türkei eskaliert seit Ende Juli. Die türkische Regierung und die PKK werfen sich gegenseitig vor, die bis dahin geltende Waffenruhe gebrochen zu haben. In den vergangenen Wochen verübte die PKK in der Türkei zahlreiche Anschläge. Die türkischen Sicherheitskräfte gehen im Inland und im benachbarten Irak massiv gegen die Rebellen vor. Unklar ist, wie unter diesen Umständen die für den 1. November geplante Neuwahl des türkischen Parlaments stattfinden soll.

stu/wl/kle (afp, dpa)