Aus für Österreichs Kanzler Sebastian Kurz
27. Mai 2019Das Misstrauensvotum beendet die Kanzlerschaft des konservativen ÖVP-Chefs in der Alpenrepublik. Sebastian Kurz stolperte über den von den Sozialdemokraten, der größten Oppositionspartei des Landes, gegen ihn und seine Regierung eingebrachten Antrag. Die Mehrheit der Parlamentarier sprach der Regierung im Zusammenhang mit der "Ibiza-Video"-Affäre das Misstrauen aus.
SPÖ sieht Verantwortung für politische Krise bei Kurz
Seit dem frühen Nachmittag lief im Nationalrat in Wien die Sondersitzung zu dem Misstrauensvotum. Die Opposition warf darin dem Kanzler vor, eine Mitverantwortung für die durch die "Ibiza-Videos" ausgelöste Regierungskrise zu tragen, weil er die rechte FPÖ als Koalitionspartner an Bord geholt hatte.
Der Chef der konservativen ÖVP trage Verantwortung für das aktuelle Chaos, sagte der stellvertretende SPÖ-Fraktionschef Jörg Leichtfried bei der Parlamentsdebatte. "Die Regierung Kurz ist gescheitert", bilanzierte er. Die SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner stellte zuvor offiziell den Misstrauensantrag. "Herr Bundeskanzler, Sie und ihre ÖVP-Regierung genießen das Vertrauen der sozialdemokratischen Abgeordneten nicht", sagte Rendi-Wagner. Kurz habe in den vergangenen zehn Tagen der Regierungskrise keine vertrauensbildenden Maßnahmen gesetzt, begründete Rendi-Wagner ihre Entscheidung.
Kurz verweist auf das "Wohl des Staates"
Der 32-jährige Kanzler wies die gegen ihn laut gewordenen Vorwürfe zurück. Kurz kritisierte seinerseits die SPÖ dafür, dass sie den Misstrauensantrag auf die gesamte Regierung ausgeweitet hat: "Jetzt auch noch die ganze Regierung stürzen zu wollen, wenige Monate vor einer Wahl, das ist etwas, das kann, glaube ich, niemand in diesem Land nachvollziehen", sagte er bei der Parlamentsdebatte. Wer jetzt die gesamte Regierung stürzen wolle, habe nicht das Wohl des Staates im Blick.
Bereits vor der Debatte im Parlament hatte die rechtspopulistische FPÖ, bis vor wenigen Tagen noch Koalitionspartner von Kurz' konservativer ÖVP, angekündigt, den Misstrauensantrag der SPÖ gegen den Bundeskanzler und seine gesamte Regierung zu unterstützen.
Politische Krise - ausgelöst durch Skandal-Videos von Ibiza
Der Misstrauensantrag ist der vorläufige Höhepunkt der Regierungskrise in Wien. Auslöser war ein Enthüllungsvideo, das zeigt, wie der inzwischen zurückgetretene Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vor der Parlamentswahl 2017 einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte im Gegenzug für Wahlhilfe Staatsaufträge in Aussicht stellt. Nach Bekanntwerden des sogenannten Ibiza-Videos trat Strache am 18. Mai als Vize-Kanzler und Parteichef zurück, die Koalition zwischen FPÖ und ÖVP zerbrach. Kurz führte seitdem eine Minderheitsregierung an, die FPÖ-Minister wurden durch parteilose Experten ersetzt.
Präsident Van der Bellen am Zug
Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen muss nach dem Aus für die Kanzlerschaft von Sebastian Kurz den Regierungschef und sein gesamtes Kabinett entlassen. Van der Bellen muss dann bis zu Neuwahlen eine Expertenregierung benennen. Geplant ist, dass die Österreicher im September wählen.
Laut der österreichischen Nachrichtenagentur APA kann der Präsident auch die abberufenen Amtsträger vorübergehend mit der Weiterführung der Regierungsgeschäfte beauftragen. Letzteres ist demnach aber unwahrscheinlich, da die Ernennung neuer Minister nur auf Vorschlag eines neuen Kanzlers möglich ist.
qu/uh (dpa, afp, rtr, ORF)