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Aus für die Organspende wider Willen

2. November 2012

Unethisch, im Widerspruch zu den Traditionen - mit solchen Argumenten sucht China den Kurswechsel bei einer schlimmen Praxis vorzubereiten: Nicht länger sollen Hingerichtete unfreiwillig der Medizin dienen.

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Auf der Ladefläche eines Lastwagens wird ein zum Tode verurteiler Mann ins Stadion von Chengu gekarrt, um dort hingerichtet zu werden (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

China will nach Darstellung eines hohen Funktionärs die Organe von Hingerichteten bald nicht mehr ohne deren vorherige Einwilligung nutzen. Spätestens 2013 wolle die Regierung ein neues System der Organspende einführen und dann schrittweise auf die bisherige Praxis verzichten, sagte der Direktor des Nationalen Transplantationsforschungszentrums, Wang Haibo, in einem Interview des in Genf erscheinenden Bulletins der Weltgesundheitsorganisation WHO. Das bisherige Vorgehen bezeichnete Wang als unethisch und als Widerspruch zu den Traditionen des Landes. Außerdem sei es nicht nachhaltig. Auch in anderen Ländern habe es aber Jahrzehnte gedauert, um ein angemessenes Spende-System zu entwickeln. Wang betonte, dass Todeskandidaten Organe weiter freiwillig spenden können sollten.

Die Zahl der Hinrichtungen in China ist unbekannt. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International schätzt jedoch, dass mehrere tausend Bürger jährlich exekutiert werden - mehr als in allen anderen Staaten der Welt zusammen. Bereits 2007 hatte der chinesische Staatsrat die Einführung eines neuen Transplantationssystems beschlossen, das internationalen Standards entsprechen soll. Nach Wangs Angaben ist die chinesische Rot-Kreuz-Gesellschaft mit der Leitung beauftragt worden. Sie solle auch dafür sorgen, dass Organspende, Vermittlung und Transplantation in Übereinstimmung mit den Gesetzen durchgeführt würden.

1,5 Millionen Chinesen brauchen Spenderorgan - jährlich

Allerdings übersteigt die Nachfrage nach Organen noch immer bei weitem das Angebot. Offiziellen Zahlen zufolge brauchen 1,5 Millionen Patienten jedes Jahr eine Transplantation, doch werden nur 10.000 Operationen dieser Art ausgeführt. Viele Chinesen glauben noch immer an eine Reinkarnation nach dem Tod und wollen daher vollständig bestattet werden.

Experte Wang verwies auch darauf, dass die Volksrepublik bislang noch keine klaren rechtlichen Bestimmungen für den Todeszeitpunkt habe und das Konzept des Hirntods noch nicht etabliert sei. Darüber müssten noch Debatten geführt werden. Meist werde der Herztod als Todeszeitpunkt angenommen. Wang kündigte zugleich mehr Öffentlichkeitsarbeit an, um die Bereitschaft zur Organspende in der Bevölkerung zu erhöhen. Jeder Chinese soll schließlich seine Haltung zur Organspende auch registrieren lassen können.

sti/uh (afp, dpa, kna)