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Aufschwung mit Handbremse

29. Dezember 2009

Nach der schweren Rezession der Weltwirtschaft ist die deutsche Wirtschaft früher als erwartet auf einen moderaten Wachstumskurs eingeschwenkt. Doch das ist noch kein Grund zur Entwarnung, meint <i>Karl Zawadzky</i>.

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Karl Zawadzky, Leiter der Wirtschaftsredaktion (Foto: DW)
Karl Zawadzky, Leiter der WirtschaftsredaktionBild: DW

"Wie ein Weihnachtsgeschenk", frohlockte Hans-Werner Sinn, der Präsident des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung in München, angesichts der aktuellen Konjunkturumfrage. Zum neunten Mal in monatlicher Folge weist der renommierte ifo-Geschäftsklimaindex eine Verbesserung der Stimmung auf den Chefetagen aus. Dabei schätzen die Unternehmen die aktuelle Lage besser ein als die Aussichten für die erste Jahreshälfte 2010. In der Tat ist die gegenwärtige Situation für viele Firmen sehr viel besser, als das vor einem halben Jahr zu erwarten war. Aber die Anzeichen mehren sich, dass die wirtschaftliche Erholung im kommenden Jahr an Kraft verliert.

Die Konjunktur ist in Deutschland wie in den anderen großen Industrieländern nämlich immer noch auf die staatlichen Fördermaßnahmen angewiesen. Der beträchtliche Anstoß, der in Deutschland von der Abwrackprämie für Altautos ausgegangen ist, läuft gegenwärtig aus. Da durch die Prämie in großer Zahl Autokäufe vorgezogen worden sind, steuert die Autoindustrie auf ein schwieriges Jahr zu. Die Wirtschaftsentwicklung ist von großer Unsicherheit gekennzeichnet. Vieles spricht dafür, dass die Wirtschaft im kommenden Jahr, wie von den meisten Forschungs-Instituten und auch von der Bundesregierung prognostiziert, moderat wächst, wobei sich die Vorhersagen in einem Korridor zwischen 1,2 und 1,7 Prozent bewegen. Das ist nicht viel und kann auch durchaus schlechter kommen. Das hängt nicht zuletzt von den Banken ab, die nur sehr restriktiv Kredite vergeben. Dafür gibt es Gründe, zum Beispiel die Ausfälle bei laufenden Krediten. Dennoch kann von einer regelrechten Kreditklemme keine Rede sein, vielmehr werden Kreditanfragen im Einzelfall sehr viel stärker als in Boomzeiten geprüft - und eben häufiger negativ beschieden.

Exporte - Fluch und Segen

Die private Nachfrage verläuft weiter gedämpft, auch von den Investitionen im Inland gehen keine Impulse aus, was nicht verwunderlich ist, schließlich sind die im letzten Boom erweiterten Kapazitäten in vielen Branchen nach wie vor schlecht ausgelastet.

Hauptantriebsfeder der konjunkturellen Erholung ist der Export. Darin spiegelt sich die Erholung der Weltwirtschaft. Die deutsche Wirtschaft ist im Aufschwung wie im Abschwung sehr viel stärker als die Volkswirtschaften der anderen großen Industriestaaten von der Entwicklung auf dem Weltmarkt betroffen. In der Weltrezession war das fatal, doch mittlerweile wendet sich das Blatt wieder zum Positiven. Wenn die Anzeichen nicht täuschen, steht eine Neuauflage des deutschen Musters für den Aufschwung bevor: Erst ziehen die Exporte an und sorgen für eine hohe Auslastung der Produktionskapazitäten. Stoßen die Firmen bei ihrer Produktion an Grenzen, nehmen die Investitionen zu. Danach steigt der inländische Konsum - und die Konjunktur läuft rund.

So war das in der Vergangenheit, so kann die Konjunktur auch dieses Mal auf Touren kommen. Aber es gibt gewichtige Störfaktoren. Zum Hauptproblem für die wirtschaftliche Erholung drohen der Arbeitsmarkt und die Staatsverschuldung zu werden. Wenn nämlich der Bund, die Länder und Gemeinden wegen der ungebremst steigenden Staatsverschuldung einen weiter steigenden Teil ihrer Einnahmen für den Zinsendienst aufwenden müssen, bleibt entsprechend weniger für die staatlichen Investitionen. Und noch weniger bleibt, wenn die Zinsen steigen. Vor diesem Hintergrund ist die gigantische Verschuldung allein des Bundes von annähernd 100 Milliarden Euro im kommenden Jahr alarmierend. Auf dem Arbeitsmarkt wird eine moderate Erholung sich lediglich in einem weiteren Rückgang der Kurzarbeit auswirken, nicht jedoch in zusätzlichen Arbeitsplätzen. Denn nach dem Ende der Kurzarbeit werden die Unternehmen die leeren Arbeitszeitkonten wieder auffüllen und versuchen, mit Überstunden über die Runden zu kommen. Erst wenn sich der Aufschwung verstärkt und die Wirtschaft zudem auf einen stabilen Wachstumspfad einschwenkt, ist wieder an einen Aufbau von Arbeitsplätzen und an einen höheren privaten Konsum zu denken. Das dürfte noch dauern.

Autor: Karl Zawadzky
Redaktion: Rolf Wenkel