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Aufruhr im Senat

Daniel Scheschkewitz3. August 2006

Auf dem Kapitolshügel geht es im US-Senat schon mal aristokratisch gediegen zu. Nach römischem Vorbild beraten die Herren Senatoren über Krieg und Frieden. Nur in den Aufzug haben sich unlängst Plebejer eingeschlichen.

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Fernschreiber Autorenfoto, Daniel Scheschkewitz

Das amerikanische Parlament steht nicht umsonst auf dem Kapitolshügel. Die Gründer der Vereinigten Staaten von Amerika hatten sich die römische Republik nicht nur architektonisch zum Vorbild genommen. Obwohl vom Volk in direkter Wahl gewählt, sind insbesondere die Herren Senatoren mit jeder Menge Privilegien ausgestattet und umgeben sich gerne auch mal mit einer aristokratischen Aura. Zu den Privilegien gehört nicht nur eine unterirdische Transportbahn , der die Abgeordneten in dem weit verzweigten Parlamentsareal von einem Gebäude ins andere bringt, sondern auch ein eigener Aufzug , der den Herren und Damen Senatoren exklusiv vorbehalten ist.

Klassisches Refugium

Der Fahrstuhl ist ein klassisches Refugium, das von den Senatoren auf dem Weg von der oberen Parlamentskammer in die Abgeordnetenbüros oder Ausschusszimmer benutzt wird und nicht selten haben politische Kuhhändel oder Last Minute-Kompromisse hier ihren Ursprung. Doch in letzter Zeit kommt Unruhe auf. Die Fahrstühle sind überfüllt, Plebejer sind eingedrungen.

Neulich mussten sich altgediente Senatoren gar durch gewaltsames Schieben und Drücken Einlass in einen der Fahrstühle verschaffen. Der demokratischen Senatorin Hillary Clinton war gleich ein ganzer Schwarm von Reportern in den Fahrstuhl gefolgt und hatte ihn verstopft. Die Ex-Präsidenten-Gattin erregt in diesen Tagen besonders viel Aufmerksamkeit , weil sie bei den Wahlen im November nicht nur ihren Sitz im Senat verteidigen muss, sondern weil sie auch als heißeste Anwärterin auf die Präsidentschaftskandidatur der Demokratischen Partei im Jahr 2008 gilt.

Nicht alle sind empört

Gut möglich , dass einige der platzberaubten Mitsenatoren nur neidisch auf Hillary waren. Aber das Gedränge im Fahrstuhl war kein Einzelfall. Nicht nur Reporter, auch Parlamentsbedienstete, Lobbyisten, ja sogar Touristen in T-Shirts drängen immer häufiger in die Fahrstühle und ignorieren zum Teil wissentlich den Exklusivanspruch der Senatoren. Von denen sind jedoch längst nicht alle empört.

Während einige, wie der Senator von Pennsylvania, Rick Santorum, lautstark Beschwerde führen, weil die Überfrachtung der Aufzüge angeblich dazu führt, dass Senatoren Abstimmungen in der hohen Kammer des Hauses verpassen, glauben andere, dass sich das Fahrstuhlprivileg längst überlebt habe. Zu ihnen gehört auch der einflussreiche Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Senator John Warner. Und der muss es wissen, sitzt er doch schon seit beinahe drei Jahrzehnten im US-Senat.

Liftboys und attraktive Frauen

Anders als die Fahrstühle für das gemeine Volk, werden die Knöpfe der Senatorenfahrstühle von Liftboys gedrückt. Nicht-Senatoren können sich das Recht, einen Senatorenfahrstuhl zu benutzen dadurch erwerben, indem sie von einem Abgeordneten der hohen Kammer direkt dazu eingeladen werden. Lobbyisten, die im politischen Tagesgeschäft in Washington so dazu gehören wie die Butter zum Brot, haben sich die menschliche Schwäche männlicher Senatoren dabei für einen Trick zunutze gemacht.

Sie lauern den Senatoren mit attraktiven jungen Frauen vor den Fahrstühlen auf und spekulieren so auf eine Fahrstuhleinladung und das Ohr der gewichtigen Abgeordneten. Sollten bei den Novemberwahlen neben Hillary Clinton noch mehr Senatorinnen den Einzug auf den Kapitolshügel schaffen, müssen sich die Lobbyisten wohl langsam etwas neues einfallen lassen.