Aufruhr gegen Folter im Knast
21. September 2012Hunderte Demonstranten und besorgte Angehörige von Häftlingen haben die Nacht zu Freitag vor dem Gldani-Gefängnis in der Hauptstadt Tiflis verbracht. Dort waren die schockierenden Aufnahmen entstanden, in denen zu sehen ist, wie Häftlinge von Gefängnisaufsehern geschlagen und mit Schlagstöcken und Besenstielen vergewaltigt werden. Die Menge stoppte mehrere Gefängnistransporter und fragte die Gefangenen, ob sie misshandelt worden seien. Ein Häftling rief zurück, er sei wiederholt vom Wachpersonal geschlagen worden. "Ich habe hier meine Gesundheit verloren und fürchte jetzt nichts", rief er.
Andere Insassen berichteten vor Journalisten von ihrem Gefängnis-Alltag: Täglich hätten die Justizbeamten zwei Häftlinge ausgesucht und heftig verprügelt. Sie hätten ihre Wärter nie ansehen dürfen. Zudem seien ihnen für die Zeit nach der Parlamentswahl am 1. Oktober noch heftigere Prügel angedroht worden. Studenten kündigten bereits neue Massenproteste gegen die brutalen Taten an.
"Ich wünschte, ich hätte das nicht mehr erlebt"
Seit Tagen demonstrieren in der Südkaukasusrepublik Zehntausende gegen die Gewalt (Artikelfoto). Am Freitag forderte die Menge, die brutalen Täter zu bestrafen und die Verantwortlichen aus Regierungsämtern zu entlassen. Der geschasste Innenminister Bacho Achalaja und sein Bruder, ein stellvertretender Verteidigungsminister, müssten angeklagt werden. Erst dann würden die Proteste beendet.
Der neue Strafvollzugsminister Georgi Tuguschi versprach, hart durchzugreifen. Ex-Präsident Eduard Schewardnadse (84) verurteilte die Vorfälle scharf: "Ich wünschte, ich hätte das nicht mehr erlebt", sagte der Vorgänger des amtierenden Staatschefs Michail Saakaschwili der Nachrichtenagentur dpa in Tiflis. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton zeigte sich "empört". Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte die Regierung zu einer "gründlichen und unabhängigen Untersuchung" auf.
Flucht ins Ausland?
Präsident Michail Saakaschwili gerät wenige Tage vor der Parlamentswahl immer stärker unter Druck. Nach der für die Haftanstalten zuständigen Ministerin Chatuna Kalmachelidse hatte am Donnerstag auch Innenminister Achalaja die "moralische und politische Verantwortung" übernommen und seinen Rücktritt erklärt. Daraufhin sei er ins Ausland geflohen, heißt es in Medienberichten. Dutzende Anhänger der Regierungspartei hätten Journalisten angegriffen, die Achalajas Vater um eine Stellungnahme gebeten hatten, heißt es weiter. Dabei seien mehrere Menschen verletzt worden.
rb/sc (dapd, dpa)