1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Aufgelesen

16. Dezember 2010

Von den Erlebnissen eines äthiopischen Prinzen mit deutschem Filterkaffee, den Gedanken fieser Männer und der Welt fleißiger Landfrauen.

https://p.dw.com/p/QUL7
Stapel Bücher, durcheinander (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Kaum etwas macht mehr Spaß, als den wahren Gedanken von Männern zu lauschen. Gedanken, die sie öffentlich eher selten äußern, kleine Wahrheiten, zum Beispiel wie sie sich selbst und andere, vor allem Frauen, sehen. David Foster Wallace hat in seinem Erzählband "Kurze Interviews mit fiesen Männern" solche Gedanken gesammelt. Es kommen auch Frauen darin vor, und wenn, dann sind die auch nicht ohne, aber die Männer dominieren. Männer mit Macken, die jammern oder sich selbst bejubeln, die lästern, sich ärgern und Peinlichkeiten von sich geben.

Peinlich, lustig, selbstironisch

Buchcover David Foster Wallace "Kurze Interviews mit fiesen Männern" (Foto: Rowohlt Verlag)
Jetzt zum Hören!

"Es hat mich praktisch jede sexuelle Beziehung gekostet, die ich hatte. Dabei bin ich eigentlich gar kein politischer Mensch, jedenfalls nicht bewusst. (...)Ich will es nur mit einem Mädchen treiben. Mehr nicht. Mit wem genau, ist mir letztlich egal. Und es passiert auch nur, wenn ich komme! (...) der Arzt meinte, es ist ein unkontrollierter Schreiimpuls. (...) Korpolalie heißt das offiziell. Nur dass, wenn ich komme, es nicht beleidigend ist, es ist immer ein und derselbe Satz: (...)Sieg den Kräften der demokratischen Freiheit. Also, richtig geschrien. Es passiert unwillkürlich. Na die sind dann erstmal perplex und ich könnte sterben vor Scham."

Diese gnadenlos stumpfen oder intelligenten Gedanken, die aus Foster Wallace’ fiesen Männern hervorsprudeln, wurden von Antje Vowinckel großartig wie ein Hörspiel inszeniert. Es wirkt, als würden diese Männer tatsächlich existieren und direkt zu einem sprechen. Genau das Richtige für alle, die Wortakrobatik genießen wollen, absurde Gedankengänge lieben und sich über gelungene Toninszenierungen freuen können.

Adelige Liebeserklärung an Deutschland

Ganz und gar nicht fies, sondern bis in den Hemdzipfel gut erzogen ist Asfa-Wossen Asserate. Ein äthiopischer Prinz, der inzwischen 62 Jahre alt ist und Deutschland schon vor langer Zeit zu seiner Wahlheimat gemacht hat. In dem Buch "Draußen nur Kännchen. Meine deutschen Fundstücke" erzählt er von seinen deutschen Lieblingserlebnissen und Beobachtungen.

Buchcover "Draußen nur Kännchen: Meine deutschen Fundstücke" von Asfa-Wossen Asserate, 2010 (Foto: Fischer Verlag)
Am besten mit Sahne!

"Als die Bedienung (...) vor mir stand, bestellte ich eine Tasse Kaffee. Und da hörte ich zum ersten Mal jene drei Worte, die mir später noch so oft begegnen sollten: 'Draußen nur Kännchen!(…) Warum?' fragte ich ungläubig. 'Des ischt halt so!', erhielt ich zur Antwort. (...) Still saß ich an jenem Nachmittag auf dem Tübinger Marktplatz vor meinem Kännchen Kaffee (...) und dachte mit leiser Wehmut an die traditionelle Kaffeezeremonie in meiner äthiopischen Heimat."

Dieser Auszug ist allerdings nur der Auftakt zu einem ganzen Kapitel darüber, warum eigentlich Kaffee in der deutschen Außengastronomie oft nur in Kännchen serviert wird. Woher Kaffee kommt, wer ihn in Deutschland wann wie getrunken hat, woher das Porzellankännchen stammt...Prinz Asfa-Wossen Asserate weiß mehr über deutsche Geschichte als jeder Durchschnittsdeutsche parat hätte. Und das teilt er großzügig. Egal, ob es um seine Beobachtungen zur deutschen Sprache geht, zur deutschen Servicementalität oder der Bierkultur. Eine adelige Liebeserklärung an Deutschland zwischen zwei Buchdeckeln!

Die Stärke der Landfrauen

Eine ganze Welt, aber diesmal aus weiblicher Sicht, steckt in dem Buch "Frauen auf dem Land". Der Untertitel "von damals bis heute" ist nicht besonders konkret – aber was man hier entdecken kann, sind die Lebenswelten von Frauen auf dem Land der vergangene 150 Jahre bis heute.

Buchcover "Frauen auf dem Land" Annegret Braun, erschienen 2010 (Foto: Elisabeth Sandmann Verlag)
Zu einem Glas Milch!

"Als das Wort Multitasking noch nicht erfunden war, arbeiteten Frauen auf dem Land rund um die Uhr, auf dem Feld, im Stall oder im Haus und ganz nebenbei bekamen sie eine Vielzahl an Kindern."

Das hört sich nach einer emanzipatorischen Attacke an. Tatsächlich betont diese Mischung aus Bildband und Geschichtsbuch in allen Kapiteln vor allem die Stärke der Frauen auf dem Land, egal ob sie als Sennerinnen gearbeitet haben, als Hebammen oder Bäuerinnen. Alle setzen sich vor allem durch - gegen Männer, harte Arbeitsbedingungen oder die Gesellschaft. Aber wie viele andere Bildbände aus dem Elisabeth-Sandmann-Verlag, macht auch dieser vor allem Appetit darauf, mehr wissen zu wollen. Die Neugierde, die er weckt, wird nicht ganz befriedigt. Aber überhaupt Neugierde wecken zu können, ist ja auch eine Kunst.

Autorin: Marlis Schaum

Redaktion: Gabriela Schaaf

Asfa-Wossen Asserate: „Draußen nur Kännchen. Meine deutschen Fundstücke“, Scherz Verlag, 189, ISBN 978-3-502-15157-9, 18,95 Euro.

David Foster Wallace: „Kurze Interviews mit fiesen Männern“, Der Hörverlag, 1 Audio CD, Gesamtlaufzeit 61 Minuten, Sprecher: Milan Peschel, Max Hopp, Wanja Mues u.a., Regie: Antje Vowinckel, ISBN 978-3-86717-685-9, 14,95 Euro

Annegret Braun: „Frauen auf dem Land. Eigenständige Landwirtinnen, stolze Sennerinnen, freiheitssuchende Sommerfrischler und viele andere. Von damals bis heute“, Elisabeth Sandmann Verlag, 151 Seiten, DIN A 4, ISBN 978-3-938045-48-0, 24,95 Euro