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Aufbruch wagen

Klaus Krämer15. Mai 2012

Katholiken diskutieren in Mannheim unter dem Motto "Einen neuen Aufbruch wagen" über Kirche und Gesellschaft. Der 98. Katholikentag könnte nach trüben Jahren in eine hellere Zukunft führen.

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Pilger mit Kreuz (Foto:dapd)
Bild: AP

Aufbrechen. Neue Wege gehen. Altes hinter sich lassen, um Neues zu wagen – das ist es, was das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) als Veranstalter mit dem Motto des Katholikentages (16.-20.05.2012) verheißungsvoll apostrophiert. Und das in einer Zeit, wo die römisch-katholische Kirche eher vom Abbruch gezeichnet scheint. Dennoch: auch ein Teil des Klerus hat den Wunsch nach einem Neuanfang. Etwas anderes bleibt der katholischen Kirche kaum übrig, erlebt sie doch seit dem Bekanntwerden der sexuellen Missbrauchsskandale im Januar 2010 einen Imageverlust nie gekannten Ausmaßes. Enttäuschte Gläubige wandten sich in Scharen ab. Die Lawine der Enthüllungen lähmte zudem Aktivitäten in beinahe allen Bereichen.

Dass es in der öffentlichen Debatte über den Missbrauch seit einem guten halben Jahr vergleichsweise ruhig geworden ist, mag mit den bereits eingeleiteten Maßnahmen zur Aufarbeitung zusammenhängen. Dazu gehören verschärfte "Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch", ein von den Bischöfen erstelltes Konzept zur Vorbeugung, ein weiteres zur Entschädigung der Opfer sowie das Angebot therapeutischer Hilfe und das Aufarbeiten des sexuellen Missbrauchs in Form von wissenschaftlichen Forschungsprojekten.

Kirchentagbesucher mit Kreuz (Foto: AP)
Qou vadis, Kirchenvolk?Bild: AP

Reformen unausweichlich

Im Zuge immer neuer Enthüllungen wurden plötzlich lange unterdrückte Reformvorschläge kirchlicher Laien offen aufgegriffen, forciert auch durch ein Memorandum, das im Februar 2011 über 300 Theologen von Hochschulen, insbesondere des deutschsprachigen Raums, unterzeichnet hatten, darunter mehr als 200 aktive Professoren. Im Juli 2011 startete die Bischofskonferenz einen Dialogprozess mit einer Konferenz in Mannheim. An den bis 2015 angelegten Gesprächen nehmen außer den Bischöfen rund 300 Vertreter aus Diözesen, Orden, Hochschulen und Verbänden teil. Verloren gegangenes Vertrauen soll wieder hergestellt werden. Dass dabei auch längst angemahnte Reformen diskutiert werden sollen, spiegelt sich jetzt im Programm des Katholikentags wider: Autoritäre Strukturen in der Kirche, mehr Rechte für Laien und Frauen, der Umgang mit dem Zölibat oder mit von der Eucharistie ausgegrenzten Gläubigen sind einige der insgesamt 1200 Themen.

Robert Zollitsch steht als gastgebender Bischof hinter dem Motto des Katholikentags. Alle Themen könnten angesprochen werden: "Wir wollen das aber so tun, dass wir dabei einander in die Augen sehen können, die Argumente gegenseitig ernst nehmen, aufeinander hören und dann es auch fertig bringen, im Hören aufeinander Gottes Stimme zu vernehmen." An dieser Stelle ist der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz ganz Diplomat. Nach harter Konfrontation zwischen Konservativen und Reformern klingt das ebenso wenig wie nach Rebellion gegen Rom.

Robert Zollitsch (Foto: dpa)
Erzbischof Robert Zollitsch: "Argumente gegenseitig ernst nehmen"Bild: picture-alliance/dpa

Keine kämpferischen Töne

Polarisierung war selten Sache des ZdK. Stattdessen setzten die Verantwortlichen lieber auf Dialog innerhalb der eigenen Reihen. Und so verwundert es nicht, dass der Präsident des Zentralkommitees Alois Glück betont: "Es wird von uns keinen Aufruf zum Ungehorsam geben. Unser Weg ist es, mit Beharrlichkeit auch dicke Bretter zu bohren." Allerdings müsse deutlich gesagt werden: "Wenn sich innerhalb einer vorhersehbaren Zeit nicht konstruktive Veränderungsprozesse entwickeln, werden wir noch stärker die Polarisierungen und den Rückzug erleben." Einstweilen ist Glück dafür, das umzusetzen, was im Rahmen des Kirchenrechts an Veränderungen ohne den Vatikan machbar ist.

Alois Glueck (Foto: AP)
Alois Glück: "Kein Aufruf zum Ungehorsam"Bild: AP

Eine solche Haltung ist allerdings nicht jedermanns Sache. So kritisierte Hans Küng, der vielleicht renommierteste kirchenkritische Theologe, vor einer Woche in einem Zeitungsartikel heftig den Katholikentag. Das Kirchenvolk solle "beruhigt, statt ernst genommen, die Reformverweigerung in Mannheim mit Aufbruchgerede überspielt werden." Wenn die Katholiken tatsächlich Veränderungen in der Kirche erreichen wollten, müssten sie den Mut haben, sich auch gegen die Amtskirche zu stellen. "Bischöfen ist dann kein Gehorsam geschuldet, wenn diese selbst wesentlichen Forderungen des Evangeliums ungehorsam geworden sind, wenn sie die Kirchengesetze über das Wohl der Gemeinden und Seelsorger stellen", schreibt Küng. Den Schweizer Professor, dem 1979 wegen anhaltender Papstkritik die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen worden war, wird man in Mannheim vergeblich suchen.

ARCHIV - Hans Küng, Tübinger Theologe und Gründer der Stiftung "Weltethos", in seinem Arbeitszimmer in Tübingen (Archivfoto vom 20.02.2008). Der katholische Theologe feiert am 19.03.2008 seinen 80. Geburtstag. Foto: Bernd Weißbrod dpa/lsw (zu dpa-Interview und Korr. "Hans Küng wird 80 - Weltethos-Präsident sorgt sich um sein Erbe" vom 11.03.2008) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Querdenker Hans KüngBild: picture-alliance/ dpa

Über den Tellerrand hinaus

Dass sich das Laientreffen nach den Ereignissen der vergangenen Jahre stark mit internen Problemen befasst, liegt auf der Hand. Allerdings werden Themen religiöser Verständigung nicht außer Acht gelassen. In Sachen Ökumene und katholisch-islamischer Dialog wird es eine Reihe hochkarätig besetzter Foren und Podien geben.

Gleiches gilt für nationale und internationale Aspekte von Gesellschaftspolitik und Entwicklung. Die fast 30.000 Dauerteilnehmer und einige zehntausend Tagesgäste werden, wenn sie es denn wollen, Bedenkenswertes über globale Wirtschaft, Finanzen und Krisebewältigung erfahren. Obwohl europäische Politiker derzeit auf Wachstum als Heilmittel setzen, um die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen, will der Katholikentag eine wachstumskritische Debatte anstoßen, "weil ja eigentlich ganz klar ist, bei aller aktuellen Problematik, dass unsere heutige Art zu leben nicht zukunftsfähig ist", sagt Präsident Alois Glück. "Die Frage ist nicht gegen oder für Wachstum, sondern: Wofür ist Wachstum gut, und welches Wachstum?" Es gehe darum, dem Fortschritt eine neue Richtung und eine neue Qualität zu geben.

Merkel mit Erzbischof (Foto: AP)
Auch Bundeskanzlerin Merkel wird in Mannheim erwartetBild: AP

Keine Frage - das Laientreffen hat sich viel vorgenommen. Ob aber gerade mit Blick auf innerkirchliche Reformen tatsächlich ein neuer Aufbruch gelingt, bleibt abzuwarten. In Mannheim wird viel geredet werden – das Sagen aber hat Rom.