1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Aufbruch! Aktion! Ausgeträumt?

Marcus Bösch21. Juni 2002

Stell' dir vor, es ist Weltwirtschaftsgipfel und keiner geht hin: Die deutschen Globalisierungsgegner von Attac bleiben jedenfalls zu Hause. Statt inhaltlicher Auseinandersetzung üben sie sich in Konsens und Optimismus.

https://p.dw.com/p/2R8S
Geht es mit Attac schon wieder bergab?Bild: AP

"Einer von uns wird hinfahren, das ist dann eher symbolisch", sagt Felix Kolb, Pressesprecher von Attac Deutschland. Die französischen und kanadischen Mitglieder sollen das globalisierungskritische Netzwerk im kanadischen Kananaskis vertreten und gegen den G8-Wirtschaftsgipfel am 27. und 28. Juni 2002 protestieren.

Action und Events

Attac Deutschland will sich auf geographisch näherliegende Events konzentrieren. Die Attac-Sommerakademie in Marburg will rechtzeitig organisiert werden. Der bundesweite Aktionstag "Her mit dem schönen Leben..." steht vor der Tür und die Kampagne "Soziale Sicherungssysteme" ist in vollem Gange. "Mit Globalisierung hat irgendwie alles zu tun", erklärt Kolb.

Protestkundegebung der globaliosierungskritischen ATTAC Bewegung
Protest in FrankfurtBild: AP

Und alle wollen mitmachen: Rund 150 Anträge auf Neuaufnahme flattern wöchentlich in den Briefkasten des Bundesbüros von Attac Deutschland in Verden an der Aller. Seit der Gründung des deutschen Zweiges der globalisierungskritischen Plattform im Januar 2000 ist die Mitgliederzahl von 400 auf über 6.500 gestiegen. Vor allem Schüler und Studenten entdecken die Lust an der Weltverbesserung und fühlen sich bei Attac gut aufgehoben. So auch die 17-jährige Schülerin Inga:" Ich finde es wichtig, soziale Gerechtigkeit umzusetzen, deshalb bin ich Mitglied geworden."

Ein bisschen Spass muss sein

Portrait von Karl Marx
Karl MarxBild: AP

Das Engagement soll vor allem Spass machen. Die Weltmusik von Manu Chao ist der Soundtrack einer neuen Protest-Generation. Die Gesamtausgabe von Karl Marx darf getrost auf Dachböden verstauben. Gelesen wird das Buch "No Logo" der jungen Autorin Naomi Klein.

Statt eines scharfen inhaltlichen Profils setzt Attac auf Mobilisierung. Etwas ganz Neues wollen sie schaffen, etwas, das es noch nie gegeben hat: ein breites gesellschaftliches Bündnis zwischen Organisation, Netzwerk und Verein, eine globale Plattform in unzähligen Ländern. Statt auf bestimmte Themen setzt Attac zunehmend auf mediengerechte Events. Das ursprüngliche Anliegen der 1998 in Frankreich gegründeten Organisation, für die so genannte Tobin-Steuer zu streiten, ist dabei nur noch ein Thema von vielen. Die Form überlagert den Inhalt.

Die Konsensfalle

"Entscheidungen bei Attac werden grundsätzlich im Konsens herbeigeführt" lautet die Devise im deutschen Strukturpapier. Und trotz einiger struktureller Änderungen hat sich daran auch nach der letzten großen Bundesversammlung im Mai 2002 nichts geändert. Alle inhaltlichen Fragen müssen in der Vollversammlung eine 90-Prozent-Mehrheit erhalten -
der Fluch der Basisdemokratie. Der allumfassende Konsensgedanke steht dabei konstruktiver Arbeit und konkreten Forderungen eher im Wege.

Joschka Fischer, Grünen Parteitag
Josef FischerBild: AP

Niemals wie die Grünen zu werden, das ist der Vorsatz von Attac. Eine gewisse Professionalisierung ist jedoch nicht ausgeblieben. Ein hauptberuflicher Pressesprecher wurde eingestellt und das Bundesbüro wird bald nach Frankfurt umziehen. Im Jahr 2002 verfügt Attac über ein Budget von 490.000 Euro aus Spenden und Beiträgen.

Eine umfassende inhaltliche Auseinandersetzung über das eigene Profil hat indes noch nicht stattgefunden. Vielleicht ist das ebenfalls ein Erfolgsgeheimnis: Attac ist eine bunte Wundertüte voller Ideen; Harmonie entsteht durch klar definierte Feindbilder. Nur langweilig darf es nicht werden.