"Aufbau" droht das Aus
15. April 2004Seit Monaten sucht der "Aufbau" nach einem Investor - bisher vergeblich. Jetzt reicht das Geld nicht einmal mehr für den Druck: die letzte Ausgabe (8.4.2004) erschien daher nur noch im Internet. Eine aus der Not geborene Idee, wie Ines Hirschfeld, Leiterin des Berliner Redaktionsbüros, erklärt: "Eine Online-Zeitschrift ist nicht wirklich unser Ziel - dafür hängen wir viel zu sehr an unserer klassischen Druckausgabe."
Doch dafür reichen die Mittel nicht mehr. Fördergelder und Spenden decken nur eine Hälfte der Kosten - für den Rest wird ein Partner benötigt. Bisher konnten die beiden Redaktionen in Berlin und in New York aber noch keinen Investor finden. Die Zeit eilt: "Wenn sich nicht in den nächsten Wochen eine Perspektive eröffnet, dann könnte der Aufbau dieses Jahr eingestellt werden", so Hirschfeld.
Zeitschrift für jüdische Emigranten
Erst vor kurzem hatte der "Aufbau" seinen 70. Geburtstag gefeiert. 1934 war in New York die erste Ausgabe erschienen. Zu einer Zeit, in der immer mehr jüdische Deutsche vor dem Nationalsozialismus in die USA flüchteten. Der "Aufbau" versorgte sie mit ersten praktischen Informationen: Jobs, Wohnungen und Tipps für Ankömmlinge in der Neuen Welt. Bald wurde daraus ein Wochenmagazin, in dem die Exilanten politische und kulturelle Debatten führten. Während des Kriegs stieg die Auflage auf 50.000 Exemplare an. Detailliert wurde über den Holocaust berichtet - inklusive der Veröffentlichung von Deportationslisten. Artikel, die auch in den Nürnberger Prozessen gegen die Verbrecher des Nazi-Regimes zitiert wurden. Prominente deutsche Juden wie Lion Feuchtwanger oder Albert Einstein zählten zu den Herausgebern des Blattes.
In den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg blieb die Auflage hoch. Und das nicht nur wegen der Rubrik "Gesucht wird…", dank der Familien wieder zusammen fanden. Der kulturelle Austausch zwischen Deutschland und den USA sowie die Aufarbeitung der Geschichte waren Hauptanliegen der Zeitschrift. Noch heute prägen diese Debatten das Blatt: Die aktuelle Ausgabe beschäftigt sich mit dem "Krieg gegen Terror", den jüngsten Attentaten sowie den transatlantischen Meinungsverschiedenheiten. Zuletzt erschien der Aufbau in einer Auflage von 10.000 Stück, die etwa zu gleichen Teilen in den USA und in Deutschland verkauft wurden.
Die Zielgruppe stirbt aus
Doch Juden, die ebenso den USA wie Europa verbunden sind, gibt es immer weniger. Vor allem in den USA bricht dem "Aufbau" die Zielgruppe weg: "Die traditionelle Leserschaft stirbt aus", sagt Ines Hirschfeld. "Wir müssen uns überlegen, wie wir die zweite und dritte Generation erreichen können, die keine Bindung an Deutschland mehr haben." Sie sind in den USA sozialisiert und haben zunehmend weniger Interesse an Deutschland - und damit auch am "Aufbau". In Deutschland sieht es zwar etwas besser aus - hier konnte der Aufbau nach der Eröffnung einer Berliner Redaktion 2002 neue Leser gewinnen. Aber das reicht nicht: Ohne einen Investor bleibt vom "Aufbau" nur Geschichte. Und eine Archiv-Webseite.