Auf zwei Rädern in die Zukunft
6. September 2012Bis 2020 soll der sogenannte Radverkehrsanteil auf 15 Prozent steigen, derzeit liegt er bei zehn Prozent. Das heißt, während zurzeit noch jeder zehnte Kilometer, den ein Bundesbürger im Verkehr zurücklegt, mit dem Fahrrad bewältigt wird, soll es in acht Jahren bereits jeder siebte Kilometer sein.
Das klingt unspektakulär, ist aber ein ambitioniertes Vorhaben von Bundesverkehrsminister Ramsauer (CSU). Der Anteil der Kilometer, die mit dem Rad zurückgelegt werden, berechnet sich nämlich auf der Basis aller im Jahr gefahrenen Kilometer. Das sind auch die mit dem Auto zum Beispiel auf der Autobahn gefahrenen. Damit der Anteil des Rades am Verkehr gesteigert wird, muss auf kurzen Distanzen und im dichten Innenstadtverkehr umgestiegen werden. Hier sollen die Deutschen das Auto stehen lassen und lieber das Fahrrad nehmen.
Gute Idee, …
Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) begrüßt das Vorhaben des Ministers. "Das ist auf jeden Fall eine sehr gute Idee", sagt Verbandssprecherin Bettina Cibulski im Gespräch mit der DW. Sie gibt aber zu, dass die Zustimmung des ADFC zu Ramsauers "Fahrradagenda 2020" auch nicht ganz überraschend kommt: Schließlich war der ADFC, wie andere Lobbygruppen auch, an der Ausarbeitung des Nationalen Fahrradverkehrsplans beteiligt.
Die Reaktionen auf den Plan, den Ramsauer am Mittwoch (5.9.2012) in Berlin vorgestellt hat, fielen grundsätzlich positiv aus. Das Fahrradfahren hat in Deutschland ein gutes Image: Es ist eine saubere, leise und gesunde Art, sich fortzubewegen. Allerdings bemängeln viele, unter ihnen der Verkehrsclub Deutschland und die Partei Die Grünen, dass Peter Ramsauer zwar einen großen Plan vorgestellt habe, aber nicht genug Geld investieren wolle.
… aber wer soll das bezahlen?
Die Bundesregierung hat den Radverkehr ursprünglich mit 100 Millionen Euro im Jahr gefördert, im Jahr 2012 waren es nur noch 76 Millionen Euro. Im kommenden Jahr, wenn die Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans beginnen soll, werden die Bundesmittel dafür jedoch noch einmal kräftig gekürzt: 2013 stehen für die "Fahrradagenda 2020" nur noch 60 Millionen Euro zur Verfügung.
Auch der ADFC, so Bettina Cibulski, sei darüber alles andere als erfreut: "Das ist ein schräges Signal, zu verkünden, wir wollen Radverkehr fördern, und dann streicht man die Mittel zusammen." Weil die Aufgabe wichtig und ihre Umsetzung teuer werde, "wäre es uns schon wichtig, dass mehr Mittel zu Verfügung stünden". Aber dennoch sieht sie das Positive: "Dass der Minister das vorstellt, das ist eine neue Qualität. Das zeigt, wie wichtig das Thema genommen wird."
Für und Wider Fahrradwege
Das Fahrrad gilt inzwischen allgemein als günstige Verkehrsalternative – aus ökologischen und ökonomischen Gründen. Aber wie diese Alternative gefördert werden soll, darüber gehen die Ansichten auseinander. Soll man mehr Radwege bauen in den Innenstädten? Ja, gute Idee, finden die Einen. Trennt man Autos und Fahrräder, könnten die Einen schneller fahren und die Anderen wären sicherer unterwegs.
Nein, sagt der ADFC. "Fahrradfahrer sind am sichersten, wenn sie mit auf der Fahrbahn fahren und immer im Blickfeld der Autofahrer sind." Deshalb, sagt Bettina Cibulski, sei es besser, Autos und Fahrräder nicht zu trennen: "Man muss sie zusammenbringen. Damit die Fußgänger ihren eigenen Raum haben und dann nicht durch Fahrradfahrer gefährdet werden."
Und das soll sich nicht ändern:
Wenn Autos und Fahrräder die gleichen Straßen benutzen, kommt man um ein Problem nicht herum: Autos fahren viel schneller als Fahrräder. Dieser Geschwindigkeitsunterschied erhöht die Gefahr von Unfällen, bei denen Radfahrer gefährdeter sind als die in ihren Wagen geschützten Autofahrer.
Um die Zahl von Unfällen zu verringern, könnte man, schlägt Bettina Cibuklski vor, das Tempolimit in Städten von 50 Km/h auf 30 Km/h herabsetzen. Dass es dazu kommt, glaubt aber nicht einmal die Sprecherin des Fahrrad-Clubs: "An das Thema wird Ramsauer mit Sicherheit nicht rangehen." Ein Sprecher des Bundesverkehrsministers bestätigte der DW auf Nachfrage, dass es ein neues Tempolimit tatsächlich nicht geben wird.
Auch bei zwei weiteren Punkten, so der Ministeriumssprecher, stünden keine Änderungen an: Es werde weder eine Helmpflicht für Fahrradfahrer geben noch ein Alkohollimit für Radfahrer, wie es das bereits für Autofahrer gibt.
Gutes Beispiel
Die praktische Umsetzung der "Fahrradagenda 2020" wird bei den Ländern und den Gemeinden liegen, das Bundesministerium kann praktisch nicht viel dazu beitragen. Die in seiner Verantwortung liegenden Bundesstraßen werden mit Fahrradwegen ergänzt, das geschieht bereits und wird fortgesetzt, aber darüber hinaus sind einem Bundesminister die Hände gebunden.
Mit Informationskampagnen und Sicherheitstrainings will das Ministerium die Bürger für das Fahrradfahren begeistern. Bettina Cibulski findet, dass das "schon ganz gut funktioniert". Es sei sehr hilfreich, wenn die da oben in Berlin mit gutem Beispiel vorangehen – pardon: voran fahren: "Wenn die zeigen, dass ihnen das wichtig ist, dann wird das auch unten als wichtig wahrgenommen."