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Auf Wüstensand gebaut: Ökostadt Masdar

18. Januar 2012

Die Vereinigten Arabischen Emirate investieren Milliarden in den Ausbau erneuerbarer Energien und in schillernde urbane Visionen. Auch für die Zeit nach dem Öl. Doch es gibt Zweifel am Erfolg der Prestigeprojekte.

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Masdar City (Quelle: http://www.masdar.ae)
Bild: Masdar

Die Ankündigungen waren groß. Nur 30 Kilometer von der Hauptstadt Abu Dhabi entfernt sollte in der Wüste die Ökostadt Masdar als Modellstadt der Zukunft entstehen. Das reiche Emirat Abu Dhabi, das über mehr als ein Zehntel der weltweiten Ölreserven verfügt und noch über 100 Jahre Rohöl fördern kann, wollte zeigen, wie die Welt der Zukunft ohne Öl aussehen könnte.

2006 hatte man damit begonnen, Masdar City zu planen. Eine Stadt, die keine CO2-Emissionen verursacht, den Strom aus erneuerbaren Energien bezieht, den Abfall komplett recycelt und autofrei ist. Elektrisch betriebene, automatische Transportkabinen sollten den Personen- und Güterverkehr abdecken.

Eine lebensfreundliche Stadt solllte es werden, mitten in der Wüste. Eine Stadt, in der Fußgänger viel Platz haben, mit viel Grün und schattigen Plätzen. Namhafte Ingenieure und Stadtplaner wie der Stararchitekt Norman Foster konzipierten diese futuristische Musterstadt. Schon 2008 rollten die Bagger an. Bis 2016, so die Planung, sollte die Stadt für über 40.000 Einwohner und 50.000 Pendler aus dem Boden gestampft sein. Kosten: Rund 22 Milliarden US-Dollar.

Heute, vier Jahre nach Baubeginn, ist von dem visionären Großprojekt Masdar erst ein kleiner Teil fertig. In dem gerne präsentierten Häuserblock mit sechs Gebäuden zog vor einem Jahr das Masdar Institute of Sience and Technology mit rund 170 internationalen Studenten ein.

Bundeskanzlerin Angela Merkel besuchte schon Masdar City Copyright: Masdar City
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel besuchte schon MasdarBild: Masdar City

Silicon Valley für nachhaltige Technologie

Zahlreiche Visionen sind mit dem Projekt Masdar verknüpft. Die Hightech-Ökostadt am internationalen Flughafen von Abu Dhabi soll das Silicon Valley für nachhaltige Technologie werden, ein Zentrum für erneuerbare Energien, das weltweit die besten Unternehmen, Forscher und Studenten anlocken soll.

Um diese grüne Vision umzusetzen, ernannte Scheich Mohammed Bin Zayed Al Nayan, der Kronprinz von Abu Dhabi, den Ökonom und Ingenieur Sultan Ahmed Al Jaber zum Chef von Masdar.

Der gründete zahlreiche Kooperationspartnerschaften. Die Liste derer, die bei diesem Projekt dabei sind, liest sich wie das "Who is Who" der Forschung und Entwicklung erneuerbarer Energien. So half zum Beispiel das renommierte Massachusetts Institute of Technology beim Aufbau der internationalen Studiengänge für Nachhaltigkeit in Masdar. Das renommierte Fraunhofer-Institut für Bauphysik und Solare Energiesysteme aus Deutschland unterstützt die Errichtung eines Testzentrums in Masdar.

Als strategischer Partner konnte Al Jaber auch das deutsche Technologieunternehmen Siemens gewinnen. Ein Gebäude für fast 2000 Siemens-Mitarbeiter ist in Masdar geplant, es soll die Zentrale von Siemens im Nahen und Mittleren Osten sein.

"Grünes Disneyland"

Allerdings gibt es inzwischen Zweifel. "Das ganze Projekt ist eine große Show", sagte ein internationaler Energieexperte gegenüber der Deutschen Welle. Seinen Namen will er nicht abgedruckt sehen. "Eine nachhaltige Wirkung und Strahlkraft, die von Masdar ausgehen sollte, ist bisher nicht zu spüren", so sein Kommentar.

Ein anderer Energieexperte, der für Masdar seit Jahren vor Ort arbeitet, berichtet gegenüber der Deutschen Welle von zahlreichen Planungsfehlern. So gebe es zum Beispiel Verschattungen bei der Photovoltaikanlage auf dem Dach der Mustersiedlung. Das wiederum führe zu erheblichen Stromeinbußen. Und auch bei der Nachtbeleuchtung für die Straßen von Masdar gab es Probleme: Über Monate hinweg lief sie nicht nur nachts, sondern auch tagsüber und konnte nicht abgeschaltet werden. Die Liste solcher Beispiele sei lang. Das Ganze, so der zusammenfassende Kommentar des Skeptikers, sei ein "grünes Disneyland im Quadrat". Seinen Namen möchte der Energieexperte aus geschäftlichen Gründen allerdings ebenfalls nicht veröffentlicht sehen.

Gut fürs Image

Auch die Internationale Organisation für Erneuerbare Energien (IRENA), deren Gründungsstatut 149 Länder unterzeichnet haben, soll ihren Hauptsitz in Abu Dhabi - genauer gesagt in Masdar City - haben. Mit geschickter Diplomatie und dem Versprechen, viel Geld für IRENA und die Förderung der erneuerbaren Energien locker zu machen, schafften es die Vereinigten Arabischen Emirate bei der Gründung 2009, den Sitz der zukunftsträchtigen Weltorganisation zu bekommen. Bisher dümpelt die neu gegründete Organisation allerdings dahin. Zu einer schlagkräftigen Organisation für erneuerbare Energien wurde sie bisher nicht.

Und auch der "World Future Energy Summit", der seit 2008 jedes Jahr in der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate stattfindet, hat nur eine mäßige Anziehungskraft. Zwar kamen auch in diesem Jahr (16.01.-19.01.2012) hochrangige Politiker aus der Welt, doch viele Experten und Unternehmen für nachhaltige Technologien bleiben diesem Treffen fern, die Messehallen sind recht leer.

Das Foto wurde am 17.1.2012 auf der World Futur Energy Summit in Abu Dhabi gemacht. Foto: DW
Wenig los auf der EnergiemesseBild: DW

Zweifel an Nachhaltigkeit

Einige Energieexperten sehen die Vorzeigeprojekte in den Vereinigten Arabischen Emiraten - vor allem Masdar - trotz innovativer Ansätze kritisch. Das viele Geld wäre nachhaltiger in andere Projekte investiert, meinen sie. Gegenüber der Deutschen Welle nennt ein Experte ganz einfache und bewährte Lösungen, wovon auch die Beduinen in den Emiraten profitieren könnten. Würden ihre Häuser besser isoliert, mit Sonnenenergie für Warmwasser und Stromerzeugung ausgestattet und die Bewohner mit der neuen Technik vertraut gemacht, wäre der Nutzen für Umwelt und Bevölkerung größer, es wäre nachhaltiger und effektiv.

Um zu zeigen, dass eine CO2-neutrale Energieversorgung mit erneuerbaren Energien schon heute möglich ist, bedürfe es nicht dieses gigantischen Vorzeigeprojekts Masdar, meint ein anderer Weltenergieexperte im DW-Interview. "Ein Blick in viele kleine Kommunen in Deutschland zeigt schon heute, dass eine CO2-freie Energieversorgung möglich ist."

***ACHTUNG: Bild bitte nur zur Berichterstattung im Kontext des Masdar City - Projekts verwenden!!!*** Masdar City Abu Dhabi. Exterior view of Masdar Institute Campus, Masdar City Quelle: http://www.masdarcity.ae/en/48/resource-centre/image-gallery/?gal=4 Copyright: Masdar City / Martin von den Driesch
Fertiger Häuserblock von MasdarBild: Masdar City / Martin von den Driesch

Zweifel an der Nachhaltigkeitsstrategie von Abu Dhabi gibt es inzwischen reichlich. Denn bislang zählt das Emirat weiterhin zu den Klima-Sündern der Welt: mit Emissionen von 28 Tonnen Kohlendioxid (CO2) pro Person und Jahr. Und auch sechs Jahre nach Planungsbeginn von Masdar sind außerhab der Musterstadt trotz ausreichender Sonne und genügend Geld kaum Solaranlagen auf den Dächern zu sehen. Kritiker sehen deshalb in Abu Dhabis Vorzeigestadt Masdar und dem Engagement für eine nachhaltige Welt vor allem eines: ein wirkungsvolles Instrument, um das Image als Klimasünder aufzupolieren.

Autor: Gero Rueter
Redaktion: Judith Hartl