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Mit Kafka Prag entdecken - und umgekehrt

16. April 2009

Franz Kafka und Prag – die tschechische Hauptstadt scheint untrennbar mit dem Schriftsteller verbunden. Ob es der Franz-Kafka-Kaffee oder die Franz-Kafka-Buchhandlung ist – das Gesicht des Dichters prägt die Stadt.

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Auf einem Gedeck des Café Louvre liegt das Buch "Franz Kafka und Prag" (Foto: Grit Krause)
In Prag hat Franz Kafka überall seine Spuren hinterlassenBild: Grit Krause

Die Faszination für Franz Kafka hat Harald Salfellner erwischt. Seit vielen Jahren wohnt der Verleger in Prag, der sich auf Deutschsprachige Literatur Prags spezialisiert hat. Salfellners Entdeckungsreise in die Welt des Franz Kafka hatte im Jahr 1993 ihren Höhepunkt – in diesem Jahr gründete der Österreicher seinen eigenen Verlag Vitalis.

Surreale Ereignisse an realen Orten

Der junge Franz Kafka (undatiert)
Franz Kafka wurde nur 40 Jahre altBild: AP

Auf seinen Spaziergängen durch die Stadt folgte Salfellner den Spuren, die von Kafka geblieben sind. Es sind Stätten, die eng verbunden mit dem Leben und dem Werk des Schriftstellers sind: sein Geburtshaus, die Schwimmschule oder die Arbeiter-Unfall-Versicherungsanstalt, in der Kafka angestellt war. Alles, was er entdeckte, fasste Harald Salfellner in einem Büchlein, anfangs keine hundert Seiten dick, zusammen - "Franz Kafka und Prag". Nach nunmehr 15 Jahren intensiver Sammeltätigkeit ist das Werk auf stolze 300 Seiten angewachsen.

"In seiner ersten großen Pragerzählung 'Die Beschreibung eines Kampfes' lässt Kafka die Helden in einem nächtlichen winterlichen Spaziergang über die Karlsbrücke gehen oder besser fliegen", erzählt Salfellner. Ganz surreale Erlebnisse seien das, was er schildere, die aber an existierenden Orten stattfänden. "Die Karlsbrücke war für ihn sicherlich eines, wenn nicht sogar das wesentliche Monument seiner Heimatstadt Prag."

Ein unglaublicher Fundus an historisch politischen Ereignissen, an Kulturgeschichte und an Zitaten aus Kafkas Werken entfaltet sich, wenn Harald Salfellner zu erzählen beginnt. Dem Verleger bereitet es ein besonderes Vergnügen, über Plätze zu philosophieren, die der Autor zwar auf seinen ausgedehnten Spaziergängen passiert haben muss, die aber nie irgendeine Erwähnung in seinen Schriften fanden. Daher gibt es - scheinbar - keinen Ort in der Prager Innenstadt, der nicht mit Franz Kafka in Beziehung steht.

Ruhe finden in der Goldenen Gasse

Das privat betriebene Franz-Kafka-Museum in Prag (Juni 2008/Jakob Lemke/dpa)
Das privat betriebene Franz-Kafka-Museum in PragBild: picture-alliance/ dpa

Von der Karlsbrücke führt der Weg auf der Prager Kleinseite hinauf zum Schloss und dort in das Goldene Gässchen – Zlata Ulicka. Tausende Touristen drängen sich täglich durch den schmalen Weg mit den niedrigen, engen Häuschen. In der Nummer 22 betreibt der Vitalis-Verlag eine Buchhandlung – von 1916 bis 1917 hatte sich Kafka hierher zum Schreiben zurückgezogen.

"Er hatte als sehr feinsinniger Mann sicherlich ein besonderes Gespür für den Reiz der Örtlichkeit, für das Malerische", schätzt Salfellner Kafka ein, "aber zugleich hat er auch nach ruhigen Orten gesucht. Abends die Tür hinter sich zuzumachen, hieß, nichts mehr zu hören, außer vielleicht das Gezwitscher der Vögel im Hirschgraben dahinter." Manchmal habe es noch einen Nachbarn gegeben, der geklopft habe, aber im Grunde genommen sei es still und ruhig gewesen, was ihm sehr entgegen gekommen sei.

Kafka im Kaffeehaus

Blick auf den Buchladen "Vitalis" in Prag (Foto: Grit Krause)
Hier hat Franz Kafka gerne geschriebenBild: Grit Krause

Beliebte Orte, um sich zu treffen und um sich auszutauschen, waren im beginnenden 20. Jahrhundert die Prager Kaffeehäuser. Im "Louvre" in der Nationalstraße, einem eleganten Großcafé, war auch Franz Kafka oft zu Gast. "Kafka verkehrte hier, weil sich in einem der Nebenräume ein philosophischer Club traf, wo interessierte Männer tagten, um philosophische Fragen jener Zeit mit großem Gestus zu diskutieren", weiß der Verleger. Über diese Fragen habe man sich gestritten. Heute könne man zwar nicht mehr ganz nachvollziehen, worum es gegangen sei, "aber in jedem Falle gab es da ordentliche Diskussionen."

Vieles, was Kafka vor Augen hatte, existiert heute nicht mehr. Doch Harald Salfellner versucht in seinem Buch, die Atmosphäre von damals noch einmal aufleben zu lassen. Wie bei einem Puzzle ergeben die minutiös recherchierten Details gepaart mit zeitgenössischen Fotografien ein vielschichtiges Bild von "Kafkas Prag". "Er ist die größte literarische Persönlichkeit der Stadt", sagt er, "und auch ich konnte und wollte nicht an ihm vorbei." Salfellner habe den Schriftsteller eigentlich erst richtig mit seinem Buch und seinem Verlag kennen gelernt. "Es war eine späte Liebe", schmunzelt er, "aber die späten Lieben sind ja häufig sehr innig."

"Franz Kafka und Prag" von Harald Salfellner ist in mehreren Sprachen erhältlich – 336 Seiten kosten 12.90 Euro.

Autorin: Grit Krause
Redaktion: Mareike Röwekamp