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Auf ein Neues – Gedanken zum Jahreswechsel

5. Januar 2013

Menschen sind unterwegs. Am Ende eines Jahres spürt man auch den Weg durch die Zeit. Christoph Ehricht spricht für die evangelische Kirche darüber, welche Gedanken und Gefühle ihn auf diesem Weg begleiten.

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Bilder der Flucht der heiligen Familie nach Ägypten finden sich in vielen koptischen Kirchen. Foto: Andreas Boueke, November 2011, Kairo, Ägypten
Koptische Kirche ÄgyptenBild: DW

Herzlichen Glückwunsch zum neuen Jahr

„Ich gratuliere dir zum neuen Jahr!“ – zunächst war ich verwundert, wenn meine Freunde aus Russland mich in den Tagen des Jahreswechsels mit dieser Gratulation überraschten. Man gratuliert sich dort nicht nur zum Geburtstag, sondern zu allen hohen Feiertagen und eben nicht zuletzt auch zum neuen Jahr. Eigentlich ein schöner Brauch. Posdrawljaju tebja s novym godom. Auch in den schwersten und dunkelsten Jahren ihrer jüngeren Geschichte haben sich die Russen mit diesen Worten zum neuen Jahr gratuliert, trotzig, vielleicht mit bitterer Ironie, wohl wissend, dass nach menschlichem Ermessen wenig Anlass für eine Gratulation bestand. Aber sie hatten aus ihrer Geschichte gelernt, dass die Zukunft zum Glück nicht nur in der Hand von Menschen liegt.

Der Weg durch die Zeit

Für Christen in der weltweiten Ökumene wird für jedes Jahr eine biblische Jahreslosung vorgeschlagen. 2013 steht sie im Hebräerbrief des Neuen Testamentes. Sie erinnert an den unentrinnbaren Fortgang der Jahreszahlen und an unser Unterwegs-Sein zu einem Ziel, das wir nicht kennen. „Wir haben hier keine bleibende Statt, sondern die zukünftige suchen wir“ – so beschreibt diese Jahreslosung ganz nüchtern und schnörkellos unser Wandern, auch das Wandern von einem Jahr zum andern. Johannes Brahms hat dieses Bibelwort in seinem Deutschen Requiem eindrucksvoll vertont, unaufhaltsam suchenden, tastenden Schritten in einem zart angedeuteten Marschrhytmus musikalischen Ausdruck gegeben. Die Zeit kann man nicht fest- oder aufhalten, sie bleibt nicht stehen. Im Fortgang der Zeit finden wir tatsächlich keine bleibende Statt.

Unterwegs sein in eine unbekannte Zukunft – das ist eigentlich das Leitmotiv, die Grunderfahrung der ganzen Bibel, fast von der ersten Seite an mit dem Auszug aus dem Paradies, über die Flucht aus Ägypten bis hin zur Wanderung von Maria und Joseph weg aus ihrer vertrauten Heimat in Galiläa oder zur rastlosen Reisetätigkeit des Apostels Paulus. Immer wieder bezeugt die Bibel, wie unser Suchen nach der zukünftigen Statt von Gott zum Ziel geführt wird. Manchmal auf sehr unvermuteten Wegen, manchmal sicher auch zu einem Ziel, das ganz und gar nicht unseren Sehnsüchten und Erwartungen entspricht.

Gespannte Erwartung – gelassene Gewissheit

Im Fernsehprogramm der alten DDR gab es eine beliebte Unterhaltungssendung, die bis heute läuft und aus der sich der Moderator regelmäßig mit dem Wunsch verabschiedet: Bleiben Sie schön neugierig. Das ist gar nicht so banal, wie es vielleicht klingt. Im Sinne unseres Bibelwortes wünsche ich Ihnen und uns allen am Anfang des neuen Jahres, dass wir gespannt und erwartungsvoll in die kommenden Monate gehen können. Mit möglichst wenig Gepäck aus dem vergangenen Jahr, nicht stürmisch und draufgängerisch, eher tastend und suchend,  neugierig darauf, was Gott mit uns vorhat – und in der gelassenen Gewissheit, dass er uns geleitet und zu einem guten Ziel führt, mag es noch so anders sein als wir es geplant hatten. Gerade darum können wir uns zum neuen Jahr gratulieren, in Russland und wo immer wir uns auf den Weg in die kommenden zwölf Monate machen.

Zum Autor:

Christoph Ehricht, Jahrgang 1950  studierte  evangelische Theologie an der Universität Greifswald. Nach einigen Jahren als Gemeindepfarrer in Gützkow war er  theologischer Dezernent im Konsistorium der pommerschen Kirche - in Greifswald . Dann verließ er diese Stadt für 3 Jahre und war von 1999 - 2002 Propst in St.Petersburg. Nach seiner Rückkehr nach Greifswald ist er dort wieder im Dienst der pommerschen Kirche, und zwar als Landespfarrer für Diakonie. Christoph Ehricht ist verheiratet, hat zwei Töchter und einen Enkel.

Pfarrer Christoph Ehricht
Pfarrer Christoph EhrichtBild: Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik