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Eine Hotline für verzweifelte Eltern

Ruth Reichstein17. März 2009

Wenn ein Kind in Belgien verschwunden ist, rufen die Familien neben der Polizei auch die Hotline von "Child Focus" an. Der Brüsseler Verein ist ein Vorbild für eine effektivere Suche von vermissten Kindern.

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Das Logo des Vereins Child Focus (Foto: http://www.childfocus.be/index.php)
Der Verein "Child Focus" hilft der Polizei bei der Suche

Das Herzstück der Organisation "Child Focus" ist ein kleines Zimmer im ersten Stock eines Bürogebäudes in Brüssel. Tag für Tag sitzen hier zwei Mitarbeiterinnen am Telefon und beantworten Anrufe von Eltern, die ihre Kinder vermissen. Auch Personen, die Hinweise auf vermisste Kinder geben wollen, rufen hier an.

Für eine effektive und erfolgreiche Suche

Ein Mädchen hält einen Handzettel in die Kamera, auf dem steht "Vermisstes Kind" (Foto: PA/dpa)
Oft helfen Handzettel bei der Suche - wie hier in Eschweiler (Archivfoto: 2003)Bild: PA/dpa

Seit zwölf Jahren unterstützt "Child Focus" die belgische Polizei. Damals, in den 1990er-Jahren, hatte Marc Dutroux sechs Mädchen entführt, missbraucht und vier von ihnen getötet. Die Öffentlichkeit sei empört gewesen und habe gegen die Regierung protestiert, die ihrer Meinung nach nicht schnell genug reagiert hätte, erklärt Dirk Depover, Sprecher von "Child Focus". Die Folgen: eine Reform der Polizei und die Gründung des Vereins "Child Focus".

Der Verein, der auf Initiative der Eltern zweier Opfer entstanden ist, gilt bis heute als Vorbild bei der effektiven Suche nach vermissten Kindern. Jedes Jahr gebe es rund 2000 neue Fälle, sagt Depover. Mehr als die Hälfte der vermissten Kinder sei von zu Hause weggelaufen, weil sie dort Probleme hätten. "Aber viele Fälle sind auch internationale Entführungen, bei denen ein Elternteil das Kind gegen den Willen des anderen ins Ausland bringt. Natürlich gehören auch Entführungen durch Dritte und sexueller Missbrauch dazu", sagt er.

Mit Plakaten und Handzetteln sind sie zur Stelle

Wenn eine Familie ein Kind als vermisst meldet, wird bei "Child Focus" die Suchmaschinerie in Gang gesetzt. Die ersten Stunden gelten als die wichtigsten: Dann gibt es die meisten Spuren. "Child Focus" hat einen Einsatzwagen, in dem die Mitarbeiter am Ort des Verschwindens Suchplakate drucken können. Sie hängen sie umgehend an U-Bahnstationen, Geschäften, Schulen und Straßenlaternen auf.

Ein ganzes Heer ehrenamtlicher Mitarbeitern verteilt zusätzlich kleine Handzettel an Busfahrer, Zugschaffner und Türsteher von Diskotheken. Und der Erfolg gibt ihnen Recht: "An diesem Wochenende hatten wir den Fall, dass zwei Mädchen verschwunden waren. Die konnten sehr schnell gefunden werden, weil uns jemand angerufen hat. Er hatte eines unserer Plakate gesehen und den entscheidenden Hinweis gegeben, wo sich die Mädchen aufhielten", erzählt Depover.

Kampf für ein europaweites Strafregister

Eine Zeichnung von Marc Dutroux vor Gericht (Foto: AP)
In den 90er-Jahren tötete Marc Dutroux vier Kinder (Archivbild: 2004)Bild: AP

Rund 50 Menschen arbeiten mittlerweile bei "Child Focus". Sie kümmern sich um aktuelle Fälle und betreuen die Eltern der vermissten Kinder. Denn wenn ein Kind verschwunden sei, sei das eine Ausnahmesituation, in der niemand weiß, was er zu tun habe, weiß Dirk Depover. "Wir helfen diesen Menschen und erklären ihnen, was ein Untersuchungsrichter machen kann und dass der Staat die Kosten für die Untersuchung übernimmt. Wir sind sozusagen Mittler zwischen den Opfern und den Behörden."

Regelmäßig arbeiten die Belgier bei der Suche nach vermissten Kindern auch mit Organisationen aus anderen europäischen Ländern zusammen. Trotz dieser immer engeren Zusammenarbeit wünscht sich Dirk Depover eine noch bessere Kooperation in Europa. Zwar gebe es die von ihnen mitgegründete Organisation "Missing Children Europe", in der 21 Organisationen aus 15 Ländern zusammenarbeiteten. "Aber wir müssen den Kampf gegen Missbrauch und Entführung von Kindern auf europäischer Ebene noch stärker vorantreiben. Wir setzen uns sehr dafür ein, dass ein europaweites Strafregister eingeführt wird, in dem alle Personen, die eine Gefahr für Kinder sind, verzeichnet werden."