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Auf der Suche nach Soldaten

Melanie Aberle9. Oktober 2004

Brauchen Sie Arbeit und finden keine? Ein Tipp: Klopfen Sie an ein amerikanisches Kasernen-Tor, die Chancen stehen gut, dass man Ihnen dort öffnet und Arbeit gibt. Sie ist jedoch nicht ganz ohne Risiko!

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An einer Bushaltestelle mitten in Georgetown begegnet mir ein junger G.I. in seiner Militäruniform. Er sieht aus wie ein Milchbubi, blass, kleine Statur, höchstens 19 Jahre alt. Vor uns hält ein Packetwagen-Fahrer und winkt dem G.I. aufmunternd zu. Das ist eine Geste, die den jungen Soldaten für einen Moment lang stolz und glücklich macht.

Soldaten genießen hohes Ansehen in der amerikanischen Bevölkerung – sie gehören zum Pantheon der Helden, wie Feuerwehrleute oder Polizisten, den sich die Amerikaner gerne zulegen.

Warten auf das Ende

Aber Held sein alleine reicht wohl nicht mehr aus, zumindest für die Soldaten. Das Pentagon hat große Probleme, Nachwuchs zu finden, der in die Kriege gegen die von Präsident Bush entdeckten Bösewichte zieht. Während sich Präsident Bush und Senator Kerry darüber streiten, wer wohl der glaubwürdigere Oberbefehlshaber für das Chaos im Irak ist, stehen die jungen Amerikaner mehr und mehr an der Seitenlinie und warten auf das Ende des Wahlkampfes.

Das amerikanische Militär braucht Nachwuchs, böse Stimmen sprechen auch von Frischfleisch, um die Truppenstärke an Einsatzorten wie Afghanistan oder Irak aufrechterhalten zu können.

Sämtliche Reservisten sind schon einberufen, die Nationalgarde, eigentlich zum Schutz der Heimat gedacht, ist schon vor Ort und möchte wieder nach Hause.

Jetzt sind die Freiwilligen gefragt, denn Amerikas Armee kennt die Wehrpflicht seit dem Ende des Vietnamkrieges nicht mehr.

Danke, nein!

Nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001 war das kein Problem. Junge Patrioten strömten zu den Rekrutierungsstellen, um in den Kampf für Freiheit und Demokratie zu ziehen. Jetzt sind die Freiwilligenzahlen jedoch im freien Fall, die Skandalbilder des Abu Ghraib Gefängnisses und die mehr als 1000 toten US-Soldaten, die bislang aus dem Irak zurück kamen, werben nicht unbedingt für die Soldaten-Karriere.

Dabei ist für viele arme Amerikaner das Militär noch immer der einzige Ausweg aus Armut und Arbeitslosigkeit. Doch Ausbildung und Karriere reichen nun als Anreiz für die Armee-Laufbahn nicht mehr aus. Deswegen wurde jetzt beschlossen, die bisher gültigen Anforderungen herunterzufahren. Künftige Soldaten müssen längst nicht mehr alle über einen gültigen Schulabschluss verfügen. Schlechte Ergebnisse beim Aufnahmetest stellen ebenfalls kein Hindernis mehr dar. Diejenigen, die noch vor zwei Jahren abgelehnt wurden, werden heute eingestellt und zur Ausbildung ins Boot Camp geschickt. Kurz gesagt, man nimmt fast jeden, der zum Kasernentor reinkommt.

Wehrpflicht

Und wer erst mal drin ist, kommt nicht so schnell wieder raus. Für die aktiven Soldaten wurde das gängige Limit für einen Einsatz im Irak von sieben Monaten auf ein Jahr aufgestockt. Das sorgt für Unruhe an der Heimatfront, die Familienangehoerigen sind nicht sehr glücklich, dass der Brötchen-Verdiener noch länger seinen lebensgefährlichen Job ausüben muss.

Militärexperten warnen, dass das Personalproblem bald die Einsatzfähigkeit der US-Armee gefährdet. Es gibt Gerüchte, dass Präsident Bush die allgemeine Wehrdienstpflicht wieder einführen wird, sollte er am 02. November die Wahl gewinnen. Bislang wird das aus Washington immer wieder dementiert.

Jungwähler melden sich

Aber Bush muss sein Truppenniveau aufrecht erhalten, will er weiter in militärische Abenteuer ziehen. Wie er schon im Rededuell in Miami mit viel antrainierter Emotion bekräftigte, ist es „ein harter Job im Irak, aber einer, der getan werden muss“. Und diejenigen zu finden, die diesen „harten Job“ in Zukunft erledigen wollen, wird immer schwieriger.

Vielleicht werden da die amerikanischen Wähler ja auch ein entscheidendes Wort mitreden. Um wählen zu können, muss man sich in den USA registrieren lassen. Und auf die US-Wahllokale bricht derzeit eine Rekordwelle von neu registrierten Wählern herein, darunter sind auch viele Jungwähler.

Und die scheinen keine große Lust zu haben, für einen Commander in Chief zu stimmen, der die allgemeine Wehrpflicht wieder einführt und sie dann in den Irak schickt. Auch wenn - wie gesagt das Pentagon das mit der Wehrpflicht dementiert. Vorsicht könnte die Mutter des Wehrpflichtigen sein …