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Auf der Suche nach Liebe

Das Interview führte Sheryl Oring / (kf)19. November 2002

In ihrem neuen Kurzfilm versucht November Wanderin, Klischees über Juden in Deutschland zu demontieren. Sie erzählt die Geschichte von zwei jüdischen Schwestern in Berlin und deren amourösen Abenteuern.

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Dahlia und Leah in dem Kurzfilm "Berlin Beshert"Bild: presse

Die Story: Dahlia ist heterosexuell und nicht besonders religiös. Leah ist lesbisch und sehr gläubig. Die Geschwister aber haben eines gemeinsam: beide suchen nach einem Seelenverwandten und Lebenspartner (auf jiddisch: "Beshert").

In ihrem ersten Kurzfilm "Berlin Beshert" spürt die amerikanische Filmemacherin und Wahl-Berlinerin November Wanderin den Liebesaffären zweier jüdischer Schwestern in Berlin nach. DW-WORLD hat die jüdische Filmemacherin in getroffen.

In Ihrem Film geht es um jüdische Singles in Berlin. Welche Probleme sprechen Sie an?

Es ist eine Satire. Das ist wichtig. Ich versuche, Klischees über jüdisches Leben in Deutschland zu durchbrechen und zu zeigen, was modernes jüdisches Leben in Berlin bedeutet. Oft wird es nur als etwas Religiöses wahrgenommen, oder als ein Leben, das irgendwie mit Synagogen und Klezmer-Musik zu tun hat. Ich habe versucht, mit diesen Klischees aufzuräumen.

Der Film zeigt die Liebesgeschichten von Dahlia und Leah. Auf ihrem ersten Blind-Date finden sich beide mit ganz unterschiedlichen Partnern auf einem Kletzmer-Konzert wieder. Auf der einen Seite ist da der jüdisch-amerikanische Journalist auf Besuch in Berlin, der herausfinden will, wie das jüdische Leben in Deutschland ist. Er nimmt Dahlia auf das Konzert mit. Er denkt, "Wow, was für eine blühende jüdische Gemeinde". Allerdings ist keiner der Musiker oder Zuschauer jüdisch.

Barbara behauptet, jüdisch zu sein, aber nur weil der Ex-Mann des Vaters ihrer Großmutter (oder so ähnlich) jüdisch war. Sie denkt, dass alle Juden Kletzmer-Musik hören.

Warum haben Sie diesen Film gemacht?

Die Jüdischen Kulturtage haben sechs jüdische Berliner Filmemacher eingeladen, um einen Kurzfilm über das heutige jüdische Leben in Berlin zu machen. Das war die einzige Vorgabe. Das Genre konnten wir frei wählen. Mein erster Impuls war, etwas sehr Modernes zu machen. Ich war es leid, dass jüdische Themen immer nur im historischen Kontext vorgestellt werden. Ich wollte etwas in Farbe, nicht in schwarz-weiß. Etwas über unser Leben im Hier und Jetzt, keine Geschichte, die sich vor allem um den Holocaust herum dreht.

Ich wollte versuchen, etwas von meiner Generation einzubringen. Ich wollte ein universelles Thema nehmen – Liebe – und zeigen, in was für unterschiedlichen Wirklichkeiten wir leben.

Eine neuere Studie kam zu dem Ergebnis, dass 22 Prozent der Deutschen glauben, die Juden hätten zu viel Einfluss in Deutschland. 17 Prozent glauben, die Juden seien für ihre Verfolgung selber verantwortlich. Wie wirken sich solche Einstellungen auf den Prozess des Kennenlernens in Deutschland aus?

Der Film basiert auf persönlichen Erfahrungen und denen von Freunden, die eine Beziehung mit einem Nicht-Juden hatten, die vordergründig völlig okay war. Aber dann kamen einige richtig harte Dinge ans Tageslicht, die vielleicht nicht antisemitisch waren. Aber es ging darum, dass man nicht fähig war, den anderen zu verstehen.

Haben Homosexuelle und Heterosexuelle die gleichen Probleme?

Es ist dasselbe. Das ist genau der Punkt. Beide Gruppen haben Erfahrungen mit solchen unmöglichen Leuten gemacht. Aber es gibt ein Happy-End.

"Berlin Beshert" ist der Vorläufer eines längeren Films, an dem Sie gerade arbeiten. Was können wir von diesem Film erwarten?

Ich will Beziehungen zwischen jüdischen und nicht-jüdischen Deutschen in den Mittelpunkt stellen. Es gibt so viele Extreme, zwischen denen die Leute gefangen sind. Da ist zum Beispiel das Phänomen des Philo-Semitismus, wo alles Jüdische trendy und gut ist. Andererseits gibt es ein ziemlich starkes Anti-Israel-Gefühl. Und irgendwo zwischendrin versuchen Leute, eine ganz normale Beziehung zu haben.