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Auf der Suche nach der richtigen deutschen Energiepolitik

Sabine Kinkartz3. April 2006

Die Ausgangslage ist gespannt, die Erwartungen sind groß: Angela Merkel empfängt Forscher, Manager und Minister im Kanzleramt, um über ein Energiekonzept für die Zukunft zu debattieren. Doch was kann das Treffen leisten?

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Windfarm in BrandenburgBild: picture-alliance/dpa
Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin
Angela Merkel im KanzleramtBild: AP

Es soll um Versorgungssicherheit gehen und damit um den Energiemix der Zukunft, um faire Preise und sichere Herkunftsländer. Um eins aber soll es nicht gehen, nämlich um den Ausstieg aus der Kernenergie. Vier Minister, rund ein Dutzend Konzernchefs, eine Reihe von Wissenschaftlern und eine Verbraucherschützerin hat Bundeskanzlerin Angela Merkel für Montagabend (3.4.2006) ins Kanzleramt eingeladen. Die Ausgangslage ist schwierig: Die Preise für Strom und Gas sind in den letzten Jahren explodiert, der Unmut unter privaten wie industriellen Verbrauchern wächst.

Einer der Geladenen, nämlich Bundeswirtschaftsminister Michael Glos, torpediert die Tagesordnung ganz offen, zuletzt am Freitag im Deutschen Bundestag. "Ich bin sehr dankbar, dass am Montag ein Energiegipfel stattfindet", erklärte Glos. "Aber ich bin der Meinung, dass in der Diskussion die gesamte Bandbreite einer sicheren Energieversorgung zur Sprache kommen sollte. Wenn wir das nicht tun, dann wird das von der Wirtschaft kommen. Ich finde, wir sollten nicht gegenseitig ideologische Barrieren haben."

Die Angst der Erzeuger

Barrieren gibt es auch ohne die Diskussion über längere Laufzeiten für Atomkraftwerke genug. Es geht um politische Sicherheit und um viel Geld. Die Branche der erneuerbaren Energien, Hätschelkind unter Rot-Grün, ist stark verunsichert. Die energieintensive Industrie droht mit Abwanderung ins Ausland, die Energieerzeuger fürchten, genau deswegen in die politische Pflicht genommen zu werden. "Wenn die öffentliche Hand ihr bisheriges Bekenntnis zum Markt weiterhin ernst meint, dann wird sie sich mit manchem abfinden müssen", erklärte der Vattenfall-Vorstand Klaus Rauscher. Dazu gehöre, dass Strompreise kein taugliches Mittel der nationalen und lokalen Industrie- und Strukturpolitik mehr seien. "Als privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen können wir nicht mit verbilligten Preisen Kunden subventionieren!"

Der Energiewirtschaft brennt zudem das Thema Investitionssicherheit auf den Nägeln. Etwa die Hälfte aller deutschen Kraftwerke muss ersetzt werden. Rechnet man die Kosten für den Netzausbau hinzu, dann wollen die Energiekonzerne bis 2020 jeweils 40 Milliarden Euro investieren. Doch wie hoch werden die Emissionsrechte für die neuen Kraftwerke ausfallen? Produzieren sie zuviel Kohlendioxid, müssten die Unternehmen möglicherweise Emissions-Zertifikate zukaufen - und das könnte sie Milliarden kosten. Eine Entscheidung, die auch von den Erzeugern regenerativer Energien mit Spannung erwartet wird.

Klima und Kosten

Wer bekommt wie viel politische Unterstützung? Das fragt sich auch Johannes Lackmann, Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energien. "Wenn die Bundesregierung sich verpflichten würde, fossilen Kraftwerken für 40 Jahre Investitionssicherheit zu geben, dann würde das bedeuten, dass dann irgendwann der Ausbau der erneuerbaren Energien zum Ende kommen müsste", sagte Lackmann. Ziel müsse sein, den Anteil der erneuerbaren Energien bis 2020 auf mehr als 20 Prozent und bis 2050 auf deutlich über 50 Prozent zu steigern.

Dieser Entwicklung Raum zu geben heißt, sie mit dem Erneuerbare Energien Gesetz auch weiter finanziell zu fördern. Den Umweltminister Sigmar Gabriel hat die Branche dabei auf ihrer Seite. "Meine Aufgabe beim Energiegipfel ist es, darauf zu achten, dass sowohl Klimaschutz wie auch Wettbewerbsfähigkeit und Verbraucherinteressen gemeinsam Gegenstand der Beratungen der Bundesregierung sind", sagte Gabriel. Es sei ein Fehler, sich immer nur auf einen Aspekt der Energiepolitik zu konzentrieren, beispielsweise auf die Kosten oder den Klimaschutz. "Die beiden Dinge werden sie zusammen bringen müssen, sonst werden sie auf beiden Seiten nichts erreichen."

Entscheidungen werden auf dem Energiegipfel nicht fallen, das Energiekonzept der großen Koalition ist erst für 2007 angekündigt. Gerechnet wird mit neun bis zwölf Monaten Entscheidungsfindung.