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Auf den Spuren von Birgit Prinz

Lutz Kulling19. Januar 2009

Zuletzt wurde Deutschland gleich zweimal Weltmeister im Frauenfußball. Dazu stellen weibliche Kicker mittlerweile fast jedes sechste Mitglied im DFB. Ein anhaltender Boom, der sich auch an der Basis verfolgen lässt.

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Immer zahlreicher - Fußball spielende MädchenBild: picture alliance
Frauenfußball - Mädchen trainieren mit Nationalteam Die Spielerin der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft, Birgit Prinz (r), trainiert am 01.08.2004 im Stadion am Bornheimer Hang in Frankfurt/Main mit fußballbegeisterten Mädchen (Archivfoto). Zusammen mit der UNICEF hatten die deutschen Fußballfrauen rund 100 Mädchen aus dem Rhein-Main-Gebiet zu einem gemeinsamen Training eingeladen. Die Zukunft des deutschen Fußballs liegt nach Einschätzung des Sportwissenschaftlers Wopp nicht bei Ballack und seinen Nationalelf-Kollegen - sondern bei den Frauen. Wenn es beim Deutschen Fußball Bund (DFB) noch Mitgliederzuwachs gebe, dann bei den Frauen, sagte der Osnabrücker Professor am Mittwoch. Sechs von zehn Mädchen in Deutschland hätten Lust auf Fußball, sagte Wopp. Foto: Frank May dpa (zu dpa 0271 "Professor: Zukunft des Fußballs liegt bei den Frauen" vom 06.04.) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Junge Fußballerinnen beim TrainingBild: dpa

„Komm, Sandra, die Stürmer müssen sich zeigen!“ Laut hallt die Stimme von Jugendtrainer Cosimo Martina über den Trainingsplatz bei Fortuna Köln. Auch der Traditionsverein im Kölner Süden hat seine Angebote für Mädchenteams zuletzt stark erweitert.

Fast schon ein „Urgestein“ ist da die 14jährigeTheresa Garsztecki, die bereits seit sechs Jahren bei der Fortuna kickt. Insgesamt genauso lang aktiv ist ihre gleichaltrige Freundin Luzie Schwarz, die eher zufällig zum Fußball kam: „Als mein kleiner Bruder in einen Verein ging, wollte ich das unbedingt auch machen.“

Ihre zwei Namen stehen für mittlerweile über eine Million weiblicher DFB-Mitglieder. Diese Rekordzahl meldet der Deutsche Fußball-Bund für 2008 – was nochmals einer Steigerung gegenüber dem Vorjahr um fast fünf Prozent entspricht.

Weltmeisterinnen als Lokomotive

Die deutsche Frauen-Fußballnationalmannschaft gruppiert sich zu einem Mannschaftsfoto vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen Wales am Donnerstag (29.05.2008) im Auestadion in Kassel. Hintere Reihe (l-r): Annike Krahn, Navina Omilade, Linda Bresonik, Birgit Prinz und Torfrau Silke Rottenberg. Vordere Reihe (l-r): Ariane Hingst, Kerstin Stegemann, Lena Goeßling, Fatmire Bajramaj, Conny Pohlers und Kerstin Garefrekes. Deutschland gewann das Spiel 4:0. Foto: Uwe Zucchi +++(c) dpa - Report+++
Hierhin wollen alleBild: picture-alliance / dpa

Motor für den Boom ist sicher die Nationalelf, die zuletzt zweimal in Folge Weltmeister wurde. „Vorbilder haben die Mädchen hierzulande wirklich genug“, sagt Hans-Jürgen Tritschoks, bis letzten Sommer Erfolgstrainer beim 1. FFC Frankfurt. „Nehmen wir nur Birgit Prinz als dreimalige Weltfußballerin des Jahres.“ Tritschoks nennt auch Namen wie Renate Lingor oder Nia Künzer. „Das waren und sind alles Stars zum Anfassen, die nach jedem Spiel noch geduldig Autogramme geben.“

Allerdings sind auch die Stützen von Bundestrainerin Silvia Neid vergleichsweise selten im Fernsehen zu sehen – auch wenn Frankfurts letztes UEFA-Cup-Finale oder Länderspiele mittlerweile live übertragen werden. „Ich finde, insgesamt wird noch viel zu wenig über Frauenfußball berichtet“, meint denn auch Theresa. Mannschaftskameradin Luzie pflichtet ihr bei: „Männliche Fußballer werden dagegen in den Medien viel mehr dargestellt, oft noch mit Foto und Extra-Story oder so.“

Kein Wunder, dass die Mädchen auch einen Lukas Podolski als Vorbild nennen. Wie sich insgesamt die weibliche Spielart am etablierten Männer-Kick orientiert. „Dank professionelleren Trainings ist das Spiel deutlich schneller und athletischer geworden“, analysiert Hans-Jürgen Tritschoks, im Hauptberuf Dozent an der Kölner Sporthochschule. „Aber Frauen haben eben weniger Muskelmasse und dadurch zwangsläufig weniger Kraft.“ Dies mache sich bemerkbar im Sprint, beim Torschuss oder beim Kopfballspiel.

Mehr Athletik und Spielwitz

Birgit Prinz (L) of Germany vies for the ball with Ulunma Jerome of Nigeria during the first round match in group F during the women's soccer competition at the Beijing 2008 Olympic Games, Shenyang, China, 09 August 2008 EPA/AHMAD YUSNI +++(c) dpa - Report+++
Vorbild Birgit PrinzBild: picture-alliance / dpa

Zugleich lobt Tritschoks die technisch-taktische Finesse, die zumindest im Spitzenbereich Platz greift: „Wenn ich etwa an die Kabinettstückchen denke, die Brasiliens Star Marta bei der letzten WM den Zuschauern geboten hat.“ Der Experte sieht den Frauenfußball auch mit weniger Theatralik verbunden: „Anders als manche männlichen Kollegen, stehen die Spielerinnen auch nach einem Foul einfach auf und machen weiter!“

Generell scheinen Mädchen einen etwas anderen Umgang mit Ball und Gegner zu pflegen. Auch wenn sie bei einem Coach wie Cosimo Martina offenbar lernen, was „gesunde Härte“ ist: „Man darf das halt nicht so extrem auslassen am Gegenspieler“, erklärt Luzie. „Aber manchmal kann man schon mal was härter reingehen.“ Dennoch kein Vergleich zu gleichaltrigen Jungs, findet Theresa: „Ich würde schon sagen, die spielen körperbetonter und aggressiver.“

Anschauungsunterricht erhalten die Mädchen bereits, wenn sie in den Kinderklassen noch gemeinsam auflaufen. „Aber es gibt viele Mädchen in dem Alter, die haben vor nichts Angst – etwa unsere Torfrau“, berichtet Thorsten Kaufmann. Vor den Toren Kölns trainiert er ein gemischtes Team mit vier bis sechsjährigen Kindern, das unlängst eine 0:10-Pleite kassierte. „Die drei Mädchen waren eigentlich die einzigen, die auch nach dem vierten, fünften Tor noch unverdrossen weiter gekämpft haben.“

Zwischen Pfützen und Party

Die 14jährige Theresa Garsztecki ist eher gefordert, um Hobby und Gymnasium unter einen Hut zu bringen: Training an mindestens zwei Werktagen, Lehrgänge und natürlich Spiele am Wochenende. Dazu noch eine ganz normale Jugend, mit vielen Freunden jenseits des runden Leders. „Ich mache auch Party, schminke mich und gehe aus. Ich kann ja trotzdem Fußball spielen – ich finde, beides geht.“

„Guck, Laura, ja, Julia. Bewegt Euch!“ Mit zunehmend heiserer Stimme jagt Cosimo Martina seine C-Jugend über den mit Pfützen übersäten Ascheplatz. Zuvor hatte der Trainer lange männliche Top-Junioren betreut. Doch schon nach einem Jahr legt er eine Art Treueschwur ab. „Die Mädchen sind sehr lernwillig und mir wirklich ans Herz gewachsen. Ich glaube, ich werde in Zukunft weiter mit ihnen arbeiten.“