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Sekunden nach dem Urknall

Frank Grotelüschen19. Dezember 2007

Wie hat das Universum kurz nach seiner Geburt ausgesehen? Fragen wie diese soll ein neuer, weltweit einzigartiger Teilchenbeschleuniger beantworten. Er heißt FAIR und steht in Darmstadt.

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Blick in den 120 Meter langen Linearbeschleuniger UNILAC der GSI (AP Photo/GSI, Achim Zschau) * MANDATORY CREDIT *
Blick in den 120 Meter langen Linearbeschleuniger UNILAC der GSIBild: AP/GSI

FAIR – kurz für "Facility for Antiproton and Ion Research" – bringt Atomkerne auf Trab. Die Anlage beschleunigt sie nahezu auf Lichtgeschwindigkeit, auf fast 300.000 Kilometer pro Sekunde. Diese winzigen Raser wollen die Forscher in Darmstadt frontal aufeinander prallen lassen. Oder sie feuern sie auf einen Block aus Metall. Wenn dieser Teilchenhammer auf den Block trifft, wird die Materie darin unvorstellbar stark zusammengepresst, und sie wird extrem heiß.

Spannendste Rätsel der Astrophysik

Ringbeschleuniger SIS der GSI, in dem der Ionenstrahl in einigen hunderttausend Umläufen auf bis zu 90 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt wird (AP Photo/GSI, Achim Zschau) * MANDATORY CREDIT *
Ringbeschleuniger SIS der GSI, in dem der Ionenstrahl auf bis zu 90 Prozent der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt wirdBild: AP/GSI

Damit kann FAIR jene Extrembedingungen simulieren, wie sie im Inneren von Sternen und Planeten herrschen. Die Physiker hoffen sogar, das junge Universum nachbilden zu können, so wie es unmittelbar nach dem Urknall ausgesehen hat. Damals, rund 15 Milliarden Jahre vor unserer Zeit, bestand das gerade geborene Weltall aus einer Art kosmischer Ursuppe, mehr als eine Billion Grad heiß.

Beobachtet werden diese Extremprozesse mit einer Art riesiger Kamera, dem Detektor. "Das ist ein Apparat, in dem diese winzigen Atomkerne aufeinander treffen", erklärt Professor Hans Gutbrod, der Projektleiter von FAIR: "Der Apparat ist ungefähr 25 Meter lang und 10 Meter hoch und hat mehrere Millionen elektronische Kanäle." FAIR soll, so hoffen die Forscher, einige der spannendsten Rätsel der Astrophysik knacken. Zum Beispiel: Wo kommen die schweren Atomkerne in unserem Universum her?

Ursuppe nachkochen

Außerdem spekulieren die Physiker darauf, mit FAIR eine kosmische Ursuppe kochen zu können – ein unglaublich dichtes und heißes Gemisch aus archaischen Elementarteilchen. Diese Ursuppe soll mit dem Urknall entstanden sein und das Universum in den ersten Sekundenbruchteilen erfüllt haben. Die Physiker wollen diese Ursuppe erzeugen, indem sie mit FAIR Atomkerne mit voller Wucht frontal aufeinander feuern.

Doch das ist noch nicht alles. FAIR soll auch jene Zustände simulieren, wie sie im Inneren von Saturn und Jupiter herrschen. Er soll im Detail enträtseln, wie sich die kleinsten Bausteine der Materie verhalten, und er soll Komponenten für Raumschiffe und Satelliten testen. Nur: Ein wenig müssen sich Hans Gutbrod und seine Kollegen noch gedulden. Zwar haben sie kürzlich den Grundstein für die Beschleunigeranlage gelegt. Doch die Anlage ist riesig, rund einen Quadratkilometer groß, und der Bau dauert deshalb seine Zeit.

Gesamtkosten: mehr als eine Milliarde Euro

"FAIR wird in Stufen in Betrieb gehen", sagt Gutbrod. Man hoffe, dass die erste Stufe etwa 2012 erreicht sei. Dann wolle man mit neuen hochintensiven Ionenstrahlen auf eine neue Anlage schießen und mit ihnen arbeiten können. 2016 soll dann der gesamte Komplex in Betrieb gehen. Ein Schnäppchen ist FAIR dabei nicht gerade. Der Beschleuniger zählt zu den größten und teuersten Forschungsmaschinen, die je in Deutschland gebaut wurden.

"FAIR in seinem Gesamtausbau kostet 1,187 Milliarden Euro und wird später im Betrieb jährliche Kosten von ungefähr 120 Millionen Euro haben", schätzt Gutbrod. Drei Viertel des Geldes zahlt Deutschland. Den Rest übernehmen die 14 Partnerländer, die sich an FAIR beteiligen.