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Politik

Auf dem Weg zum gläsernen Flüchtling?

Naomi Conrad ft
11. Oktober 2016

Ein Flüchtling, der offensichtlich einen Anschlag geplant hat - die Ereignisse von Chemnitz befeuern erneut die Debatte um die Sicherheitsüberprüfung von Asylbewerbern. Doch bringt das wirklich etwas?

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Deutschland Fingerabdruck Flüchtlinge
Bild: picture alliance/dpa/P. Endig

Einen Asylantrag in Deutschland zu stellen kam in der Vergangenheit des Öfteren dem Ausfüllen eines Lottoscheines gleich. Während manch ein syrischer Flüchtling ein erschöpfendes, siebenstündiges Gespräch mit den Behörden über sich ergehen lassen musste, konnten andere einfach nur einen Zettel ausfüllen, die Fluchtgründe angeben und fertig.

So wie Take Bakri aus Leipzig, der in der Presse lieber nur seinen Vornamen lesen will. Er kam 2015 nach Deutschland und musste lediglich einen Fragebogen ausfüllen. "Mir ist schon klar, warum die Behörden das so machen", sagt er der DW, "Ich denke mal, so geht es einfach schneller als bei einer Befragung. Schließlich hatten die ja alle Hände voll zu tun".

Im vergangenen Jahr waren die Behörden von der Anzahl der Neuankömmlinge schlicht überfordert. Viele hatten keine gültigen Papiere, andere registrierten sich erst in einer Stadt und zogen dann in die nächste weiter - oder verließen Deutschland sogar und ließen sich woanders in Europa nieder. Deshalb wurde die obligatorische Befragung für Syrer, Iraker und Eritreer abgeschafft und durch einen schriftlichen Anmeldebogen ersetzt.

Rufe nach verschärfter Sicherheit

Das Problem dabei: Auch viele Marokkaner und andere Nordafrikaner fingen daraufhin an, sich als Syrer zu registrieren. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ging deshalb aus Sicherheitsbedenken dazu über, die gerade abgeschafften Befragungen wieder durchzuführen. Sachbearbeiter nehmen dafür die Fingerabdrücke und Fotos der Bewerber auf und gleichen diese mit der Datenbank der Bundespolizei ab. Auch die Ausweispapiere werden überprüft.      

Fahndungsbild Jaber Albakr
Der mutmaßliche Anschlagsversuch von Jaber A. beheizt die Debatte um Asylverfahren neu Bild: Polizei Sachsen

Soweit die Theorie - seit der Razzia in einem Plattenbau in Chemnitz und der Festnahme eines mutmaßlich mit dem IS in Verbindung stehenden Terrorverdächtigen werden die Rufe nach noch stärkeren Sicherheitsüberprüfungen laut. Denn der mutmaßliche Terrorist Dschaber al-Bakr, der letztendlich von seinen Landsleuten festgesetzt wurde, war 2015 als Asylbewerber anerkannt worden. Die Verbindungen des 22-Jährigen zum "Islamischen Staat" (IS) müssen noch genau untersucht werden. Doch CSU-Politiker Hans-Peter Uhl fordert schon jetzt, dass die deutschen Geheimdienste Asylbewerber stärker überprüfen müssten. Die bedeutet auch einen uneingeschränkten Zugriff auf die Datenbanken des BAMF.

Opposition: Geheimdienstbefugnisse nicht ausweiten!

Die bayerische CSU positioniert sich seit langem als Kritikerin der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel. Besonders die Entscheidung vom September 2015, die Grenzen für die auf der Balkanroute feststeckenden Flüchtlinge zu öffnen, stieß auf große Kritik aus Bayern.

Nicht nur der Koalitionspartner SPD, auch die Opposition weist die Rufe nach mehr Befugnissen für die Geheimdienste zurück. Irene Mihalic von Bündnis90/Die Grünen bezeichnete die Rufe der CSU als "verrückt" und sagte, die Äußerungen hätten die Qualität, eine ohnehin schon geteilte Gesellschaft weiter zu polarisieren. Ulla Jelpke von den Linken bezeichnete die Forderung als "unangemessen". Das BAMF würde bereits mit Geheimdiensten zusammenarbeiten, so Jelpke. In Verdachtsfällen würden Daten bereits weitergegeben.

Andere merkten an, dass bereits in Deutschland ausgeführte Straftaten wie die Anschläge in Würzburg und Ansbach, und auch der Amoklauf in München, von deutschen Staatsbürgern oder von vor 2015 nach Deutschland gekommenen Flüchtlingen verübt wurden. Andere Flüchtlinge würden schlichtweg unter dem Radar der Sicherheitskräfte operieren.

Keine europaweite Datenbank vorhanden

Deutschland Innenminister de Maizière zur Zahl der Asylbewerber
Innenminister de Maizière hält eine europaweite Gefährder-Datenbank für "problematisch"Bild: picture alliance/dpa/M. Kappeler

Ein anderes Problem bei der Terrorbekämpfung ist eher struktureller Natur: Noch gibt es keine europaweite Datenbank, in der potentielle Gefährder aufgeführt sind. Eine solche bezeichnete Bundesinnenminister Thomas de Maizière in der Vergangenheit ohnehin schon als "problematisch". Außerdem gäbe es Probleme bei der Einheitlichkeit der Schreibweise arabischer Namen in verschiedenen europäischen Ländern.     

Wenn es nach dem syrischen Student Take Bakri aus Leipzig ginge, finge die Problemlösung dort an, wo das Asylverfahren endet: Moscheen, Geheimdienste, vor allem aber die Gemeinschaft der Syrer in Deutschland müssten ein Auge darauf haben, wer sich hierzulande radikalisiere und einen Anschlag plane. Das sei in jedermanns Interesse, sagt Bakri. "Die meisten Syrer sind vor Terroristen geflohen", fügt er noch hinzu, "sie wollen deshalb verhindern, dass hier etwas Ähnliches passiert".