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Auf Bachs Spuren

Rick Fulker20. Juni 2013

Zur Festivalzeit kommt an Johann Sebastian Bach in Leipzig niemand vorbei. Das Bachfest zeigt, wie man die Musik des vielleicht wichtigsten Komponisten der Weltgeschichte ins Szene setzen kann.

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Die "On Air"-Bühne auf dem Marktplatz in Leipzig
Die "On Air"-Bühne auf dem Marktplatz in LeipzigBild: DW/S. Kaempf

Vom 14. bis 23. Juni pilgern Musikliebhaber aus dem In- und Ausland nach Leipzig, um auf Bachs Spuren zu wandeln und der Musik des großen Komponisten zu lauschen. 27 Jahre seiner äußerst produktiven musikalischen Laufbahn hat Bach in Leipzig verbracht. Ihm zu Ehren feiert die Stadt den großen Komponisten seit 1999 jährlich mit einem Fest. Und ganz Leipzig ist dann in einem regelrechten "Bach-Fieber", denn Bachs Musik erklingt dann nicht nur an seinen Wirkungsstätten, der Thomas- und der Nikolaikirche, sondern praktisch in jeder Ecke der Stadt, angefangen vom Bahnhof, wo kleinere Aufführungen die Gäste täglich zum Bachfest einladen, bis hin zu Veranstaltungen in Kneipen, Jazz-Clubs und auf dem Marktplatz, wo an der "On Air" -Bühne junge und alte Besucher, Touristen und Bach-Freunde den Klängen seiner Musik lauschen können.

Zuschauer bei der "BACHmosphäre" am Leipziger Marktplatz
Zuschauer bei der "BACHmosphäre" am Leipziger MarktplatzBild: DW/S. Kaempf

Musikalisches Großprojekt: Das Leben Jesu

2013 lautet das Motto des Bachfestes: "Vita Christi", das Leben Jesu. "Das Thema leitet sich von einer Reihe großer Oratorien ab, die Bach in den 1730er Jahren komponiert hat und die sich auf das Leben Christi konzentrieren", erklärt Christoph Wolff, der künstlerische Leiter des Bachfestes. Damals waren diese Werke - dem Festtag entsprechend - während des Kirchenjahres in den Gottesdiensten zu hören. Erstmals bei einem Festival werden diese Oratorien in Leipzig nun innerhalb einer einzigen Woche, als ein großer Zyklus aufgeführt:

Christoph Wolff, der künstlerische Leiter des Bachfests. Rechte: Bach-Archiv Leipzig/Gert Mothes, Undatierte Aufnahme, Eingestellt 20.06.2013
Christoph Wolff, der künstlerische Leiter des Bachfests LeipzigBild: Bach-Archiv Leipzig/Gert Mothes

"Das macht dem aufmerksamen Hörer einige Bezüge zwischen den Werken offenbar, die er bei einzelnen Aufführungen nie hören würde." So fügen sich Weihnachtsoratorium, Johannes-Passion, Oster- und Himmelfahrts-Oratorium zu einem Großprojekt zusammen, dass vielleicht auch schon Bach vor Augen gehabt habt, meint Christoph Wolff: "Ich bin mir sicher, dass er die Werke wirklich als Zyklus geplant. Es sind nicht nur die einzigen Werke, die Bach ausdrücklich als Oratorien bezeichnet hat, es gibt auch viele musikalische Querverbindungen."

Bei diesem einzigartigen Oratorienzyklus wirken renommierte Dirigenten wie Trevor Pinnock, John Eliot Gardiner und Hermann Max mit. Dabei kann man erleben, dass Bach gerade in diesen Werken viele seiner sinnlichsten, leidenschaftlichsten und melodiösesten Musik hineinströmen ließ.

Streitbare Chorknaben in der Tradition Bachs

Leidenschaftlich war Bach auch in seinen Auseinandersetzungen mit der damaligen Stadtobrigkeit. Etwas von dieser Tradition war in einem offenen Brief zu spüren, den ein Mitglied des Thomanerchors beim diesjährigen Eröffnungskonzert vorlas. Die Mitglieder des Chores, den einst Johann Sebastian Bach selbst leitete, fordern darin unter anderem eine neue Grundschule. "Auch zu Bachs Zeiten gab es immer wieder erhebliche Missklänge zwischen den Interessen des Chores und dem politischem Willen der Stadtverantwortlichen", trug der Thomaner vor: "Wir finden, dies ist falsch verstandene Pflege des Bachschen Erbes seitens der Stadtväter."

Georg Christoph Biller, der gegenwärtige Thomaskantor, sieht den Protestbrief in der Tradition eines streitbaren Protestantismus, wie Bach ihn auch gelebt hat: "Ich habe natürlich vorher gesehen, was die Jungs geschrieben haben. Ich fand es großartig und habe kein einziges Wort verändert." Beim Versuch, auf den Brief der Thomaner zu antworten, wurde der Oberbürgermeister von Zwischenrufen aus dem Publikum unterbrochen. Gleichgültigkeit gegenüber der sogenannten Hochkultur kann man den Leipzigern jedenfalls nicht nachsagen; die Bürger nehmen "ihren" Bach und den 801 Jahre alten Thomanerchor und seine Anliegen sehr ernst - egal ob sie sich für Klassik interessieren oder nicht.

Konzert des Thomanerchors in der Thomaskirche
Konzert des Thomanerchors in der ThomaskircheBild: picture-alliance/dpa

"Mein" Johann Sebastian Bach

Der Jazz Pianist Ketil Bjornstad in der Moritzbastei in Leipzig
Der Jazz Pianist Ketil Bjornstad in der Moritzbastei in LeipzigBild: DW/S. Kaempf

Neben Kirchenkantaten von Bach werden beim Fest auch Oratorien wie Beethovens "Christus am Ölberge" oder Schuberts "Lazarus" aufgeführt. Orgel- und Kammerkonzerte gehören ebenfalls zum Programm. Aber es gibt auch zahlreiche populäre Veranstaltungen: "Bach für Uns" wendet sich an Familien mit Kindern, die Reihe "Bach - Reflections in Jazz" beleuchtet den Musiker aus Crossover-Perspektive. So präsentierte etwa der Jazzpianist Ketil Bjormstad in der Leipziger Moritzbastei eine Mischung aus Bachthemen und seinen individuellen Improvisationen.

Die Welt beneidet Leipzig um ihre Bachtradition und kommt gern zum Fest. Circa die Hälfte aller Besucher reist von außerhalb an, ein Viertel sogar aus dem Ausland. Einige Veranstaltungen, wie auch das Eröffnungskonzert, werden live auf dem Marktplatz übertragen oder finden dort statt. Dann erlebt Dettloff Schwerdtfeger, der Geschäftsführer des Bachfestes, abermals die Identifikation der Leipziger mit "ihrem" Bach: "Es ist dort draußen wie beim Hochamt. Die Menschen hören still und gebannt zu."

Bachfest-Besucher auf dem Marktplatz in Leipzig
Bachfest-Besucher auf dem Marktplatz in LeipzigBild: DW/S. Kaempf