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Auch Fußballprofis sind nicht immer stark

4. März 2010

Fußballprofis müssen mit öffentlichem Druck und hohem Verletzungsrisiko nicht mehr alleine zurechtkommen. Die Spielergewerkschaft VDV arbeitet mit einer Psychologin zusammen, an die sich die Profis wenden können.

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Enttäuschte Spieler von Hertha BSC gehen über den Platz (Foto: dpa)
Abstiegsangst lähmt Kopf und BeineBild: picture alliance/dpa

Wie würde es Ihnen gefallen, Ihren Beruf regelmäßig unter der Beobachtung zehntausender Menschen auszuüben? Menschen, die sie unter Umständen anschreien oder beschimpfen, wenn Sie mal einen Fehler machen. Wie kämen Sie damit zurecht, dass jederzeit das Risiko einer schweren Verletzung besteht, die Ihre Karriere beenden könnte? Für einen Fußballprofi ist diese Situation Alltag. Doch sich davon beeindrucken lassen, darf er nicht. Er muss vor allem eins: seine Leistung bringen.

Auf dem Platz soll er laufen, grätschen, kämpfen und Tore schießen – mit einem Wort: Er muss funktionieren. Wie es in seinem Kopf oder seiner Seele aussieht, danach fragt niemand. Dabei sind die Sorgen und Ängste, die Fußballprofis plagen, vielfältig, wie Aneta Szpigiel weiß: "Meistens haben wir es mit Verletzungskrisen zu tun, mit Ängsten, die mit Abstiegsgefahr verbunden sind, mit dem Wiedereinstieg nach einer Verletzung, mit Ängsten im Bezug auf die beruflichen Perspektiven und die berufliche Zukunft", sagt sie.

"Wie in der klinischen Psychologie"

Die Psychologin Aneta Szpigiel (Foto: Szpigiel)
Die Psychologin Aneta SzpigielBild: Aneta Szpigiel

Seit 2006 arbeitet die Psychologin mit der Vereinigung der Vertragsfußballer VDV zusammen. Im Reha-Zentrum "medicos.AufSchalke" direkt neben der Gelsenkirchener Arena hat Aneta Szpigiel ihr Büro. In den Räumlichkeiten des offiziellen Gesundheitspartners der VDV hilft sie den Spielern, die sich ihre Ängste von der Seele reden möchten. "Bei uns geht es ganz ähnlich zu wie in der klinischen Psychologie", erklärt sie. "Wir führen Gespräche, in denen wir an die kognitiven Schemata gehen, also Gedanken, Inhalte, Emotionen, die mit bestimmten Inhalten, die bedrohlich sind, zu tun haben." Darüber hinaus bietet Aneta Szpigiel besonders für Spieler, die eine schwere Verletzung überwunden haben, Übungen für die Verbesserung der Körperwahrnehmung an. Bei bestimmten Bewegungsabläufen sollen sie sich wieder sicher fühlen.

Druck als altbekanntes Phänomen

Fans von Alemannia Aachen auf der Tribüne (Foto: dpa)
Die Erwartungen und Ansprüche der Fans sind riesigBild: pa / dpa

Die Kundschaft von Aneta Szpigiel ist sehr gemischt. Sowohl Spieler, die am Ende ihrer Karriere stehen, als auch solche, die neu im Geschäft sind, suchen ihren Rat. Dass das ausgerechnet im Fußball so ist, wundert die Psychologin nicht. "Fußball ist die populärste Sportart", sagt sie. "Sie ist mit enormem Druck verbunden, mit viel Geld. Es wird relativ früh im Leben angefangen zu planen: Werde ich ein Profifußballspieler oder nicht. Das ist enormer Druck."

Und nicht unbedingt ein Phänomen der neueren Vergangenheit. Auch Wolfgang Overath, in den 70er Jahren Spielmacher in der Nationalmannschaft und beim 1.FC Köln, hatte mit den hohen eigenen und öffentlichen Erwartungen zu kämpfen. "Ich hatte in Mexiko eine große WM gespielt. Und dann spielt der Günter Netzer eine überragende Europameisterschaft 1972", sagte Overath kürzlich in einem Interview. "Ich spielte schlecht im Verein wurde immer unsicherer und dann hat die Öffentlichkeit gesagt: Jetzt soll der Netzer ran. Ich wurde immer schlechter, weil ich immer weniger Selbstvertrauen hatte. Das passiert, wenn der Druck so stark ist." Einziger Unterschied: Damals mussten die Spieler ihre Krisen ohne professionelle Hilfe von außen überwinden.

Gute Akzeptanz in der Liga

Robert Enke (Foto: AP)
Robert Enkes Tod hat viele Profis zum Nachdenken gebrachtBild: AP

Über Mangel an Beschäftigung kann sich Aneta Szpigiel nicht beklagen. Besonders in den Wochen nach dem Selbstmord von Nationaltorhüter Robert Enke gab es bei vielen Profis erhöhten Gesprächsbedarf. Die Akzeptanz für das sportpsychologische Angebot der VDV in der Bundesliga ist gut. Trotzdem aber hat Aneta Szpigiel einen Wunsch für die Zukunft. "Ob es notwendig ist, dass jeder Club einen Sportpsychologen hat oder nicht, kann ich schlecht sagen", meint sie, fordert aber etwas anderes: "Die Sportpsychologie sollte als Selbstverständlichkeit gelten, egal ob es um Leistungsoptimierung oder Krisenintervention geht. Ich vergleiche das mit den Physiotherapeuten. Es ist selbstverständlich, dass jede Mannschaft Physios hat, also sollten auch Sportpsychologen als selbstverständlich wahrgenommen werden."

Autor: Andreas Ziemons
Redaktion: Wolfgang van Kann