1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Auch die kleinen Mitglieder haben eine Stimme"

26. November 2004

- Bundespräsident Köhler beendet Baltikum-Reise

https://p.dw.com/p/5uJy

Berlin, 24.11.2004, DW-RADIO, Wolter von Tiesenhausen

Bundespräsident Horst Köhler hat seine Reise durch das Baltikum am Mittwoch (24.11.) mit einem Besuch in Estland abgeschlossen. Mit Blick auf noch immer ausstehende Grenzverträge zwischen Russland und den baltischen Staaten forderte Köhler eine gemeinsame Haltung der EU gegenüber Moskau. Grenzangelegenheiten beträfen die gesamte Union, betonte Köhler. Köhler hatte in Begleitung seiner Frau Eva am Montag und Dienstag zunächst Litauen und Lettland besucht. Mit seiner dreitägigen Reise ins Baltikum wollte der Bundespräsident vor allem die Reformanstrengungen der neuen EU-Mitglieder würdigen. Wolter von Tiesenhausen fasst die Ergebnisse der Reise Köhlers zusammen.

Bundespräsident Horst Köhler hat die drei baltischen Republiken Litauen, Lettland und Estland bei seinen Besuchen zum Anfang dieser Woche darin bestärkt, ihre besonderen Interessen in die Europäische Union und in die NATO - beiden Organisationen gehören sie seit diesem Jahr als Vollmitglieder an - einzubringen. Nach einem Gespräch mit dem litauischen Präsidenten Valdas Adamkus erklärte Köhler:

"Ich will auch einen Beitrag dafür leisten, eine europäische Integration zu entwickeln, wo auch die kleinen Länder das Gefühl haben, sie sind nicht nur dabei, sondern sie haben auch eine Stimme. Sie bringen diese Stimme zu Gehör, und die anderen hören Ihnen zu."

Diese besonderen Interessen der baltischen Republiken sind vielseitig. So weiß man in Litauen, dass der dortige Atomreaktor nicht mehr den heutigen Ansprüchen genügt. Da man es sich aber nicht leisten kann, ihn einfach vom Netz zu nehmen und stillzulegen, würde man gerne mit Unterstützung des Auslandes ein neues, wesentlich sichereres Atomkraftwerk bauen. Von der Versorgung mit litauischem Atomstrom ist nicht nur dieses Land, sondern auch der lettische Nachbar teilweise abhängig. Die Linie der Bundesregierung aber ist es, langfristig aus der Atomenergie auszusteigen. Dem Nachbarn beim Bau eines neuen Reaktors zu helfen, würde dem widersprechen.

In Lettland, wie in den beiden anderen Republiken, macht man sich Sorgen über die Entwicklung in Russland, Weißrussland und der Ukraine. Die zunehmend aggressivere Sprache Moskaus gegenüber den baltischen Nachbarn, die wiederholte Verletzung des baltischen Luftraumes durch russische Kampfflugzeuge und die russische Weigerung, die überfälligen Grenzverträge mit Estland und Lettland zu ratifizieren, beunruhigen nicht nur die Regierungen, sondern auch die Bevölkerung. Besonders dankbar ist man der NATO, dass die Verbündeten durch die Stationierung vom Kampfflugzeugen in Litauen ihre Solidarität beweisen. Im kommenden Jahr wird die deutsche Luftwaffe diese Aufgabe übernehmen.

Bundespräsident Horst Köhler machte bei seinen Gesprächen auch mit der Präsidentin Lettlands, Vaira Vike-Freiberga, und dem estnischen Staatsoberhaupt Arnold Rüütel deutlich, dass die Bundesrepublik Deutschland große Hoffnungen auf die multilaterale Zusammenarbeit in Nordosteuropa setzt:

"Die Geschichte der Europäischen Union ist ja eine Erfolgsgeschichte der Versöhnung und der guten Zusammenarbeit in Europa. Und deshalb ist es auch fast folgerichtig und logisch, dass der Präsident und ich vor allen Dingen über die regionale Zusammenarbeit im Baltikum, mit Russland, mit Polen, mit der Ukraine gesprochen haben."

So plädierte Köhler für eine Intensivierung der Zusammenarbeit im Ostseerat. Dabei sollte es vor allem auch um die Verbesserung des Umweltschutzes und die Verhinderung von Tankerunfällen gehen. Auch bei der Verbesserung der Infrastruktur könnte eine multilaterale Zusammenarbeit nicht nur helfen, die vorhandenen finanziellen Mittel wirkungsvoller einzusetzen, sondern auch dazu beitragen, interne Spannungen in der Region abzubauen. (lr)