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Atomkritik in Südafrika Luxusthema

16. März 2011

In Südafrika steht das einzige Atomkraftwerk auf dem Kontinent. Das Land plant ein weiteres AKW. Ein Interview mit Südafrika-Korrespondent Wolfgang Drechsler über die Atom-Debatte nach der Katastrophe in Japan.

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AKW Koeberg bei Kapstadt (Bild: dpa)
Kaum umstritten: AKW Koeberg bei KapstadtBild: picture-alliance/dpa

DW-WORLD.DE: In Deutschland demonstrieren in diesen Tagen Zehntausende gegen die Atomindustrie. Wie reagieren die Südafrikaner auf die aktuelle Lage in Japan?

Wolfgang Drechsler: Das ist in Südafrika überhaupt keine Debatte. Das Land hat andere Probleme, wie zum Beispiel die tiefe Armut. Das Thema Umweltschutz und gerade die Atomenergie werden eher unter den Weißen diskutiert. Südafrika hat nur ein Atomkraftwerk und die Kernenergie existiert nur ganz am Rande.

Gibt es in Südafrika gar keine Anti-Atom-Bewegung?

Doch, die gibt es. Die Anti-AKW-Lobby hier ist aber sehr klein. Und auch die wird zu rund 90 Prozent von Weißen getragen. Für ein Land, dass so viele andere Probleme mit sich rumschleppt ist das ein Luxusthema. Trotzdem gibt es eine diffuse Angst vor Strahlen. Aber wir sind in Südafrika nicht erdbebengefährdet, deshalb ist die Sicherheitsfrage für die Menschen hier weniger aktuell. Das Thema kommt manchmal kurz auf, wenn das Atomkraftwerk Koeberg, 30 Kilometer vor Kapstadt, zu Wartungsarbeiten abgestellt werden muss.

Südafrika baut auch Uran ab, was Risiken mit sich bringt. Wird darüber diskutiert?

Der Uranabbau ist genauso wenig ein Thema. Südafrika ist in seiner Energieverbrennung zu 90 Prozent von Kohle abhängig. Und Kohle liegt im Osten von Johannesburg sehr dicht unter der Erdoberfläche; sie ist also einfach abzubauen und in den großen Kohlekraftwerken zu verbrennen. Leider wird dabei sehr viel saurer Regen generiert. Trotzdem bleibt Kohle eine sehr einfache Art der Energiegewinnung und deshalb ist die Diskussion um Atomenergie und um Uran zweitrangig. Und auch erneuerbare Energien machen in Südafrika nur zwei Prozent des Energiemixes aus.

Ein Blick in die Zukunft: Bleibt es bei einem AKW für Südafrika oder wird das Land verstärkt auf Atomstrom setzen?

Ich glaube, auch Südafrika muss umdenken. Man kann nicht weiter mit Kohleenergie so viel sauren Regen generieren. Das heißt, man muss runter von der derzeitigen Kohleverbrennung. das wird vor allem erstmal den erneuerbaren Energien zugute kommen. Deshalb kommen jetzt auch viel deutsche Mittelständler nach Südafrika, weil sie die Technologie dafür haben. Wieweit die Debatte die Atomenergie betrifft, ist schwer vorauszusagen. Es wird über ein weiteres AKW debattiert. Allerdings läuft diese Diskussion seit über zehn Jahren, ohne das irgendetwas Konkretes festgelegt wurde. Nicht mal ein Standort wurde beschlossen. Das ist entfernte Zukunftsmusik. Südafrika hatte aus Deutschland mal die Technologie des Schnellen Brüters übernommen, aber die hat man nicht weiter verfolgt. Sie ist verfallen. Dabei hätte man mit dem Schnellen Brüter eine relativ sichere Atomenergie forcieren können. Deshalb sehe ich die Diskussion der Atomenergie in Südafrika eher am Rande laufen; hier wird der Fokus viel stärker auf erneuerbaren Energien als Ausgleich für die Kohleverbrennung liegen.

Das Gespräch führte Stephanie Gebert
Redaktion: Christine Harjes