1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Atomkonflikt: Wann wird ein Kraftwerk waffenfähig?

Frank Grotelüschen18. Januar 2006

Der Streit um das iranische Atomprogramm dreht sich um die Frage, ob es Teheran um eine friedliche Nutzung der Kernenergie oder um eine Atombombe geht. Allerdings kann man eine Atombombe nicht einfach so bauen.

https://p.dw.com/p/7nYB
Iran und Atombombe: ein heikles ThemaBild: AP Graphics

Will ein Staat eine Atombombe haben, dann braucht er vor allem eines: waffenfähiges, spaltbares Material, also Uran oder Plutonium. Denn schafft man es, genug Plutonium oder Uran an einer Stelle zusammenzubekommen, setzt eine unaufhaltsame Kettenreaktion ein - eine Nuklearexplosion. Die kritische Masse, die erreicht werden muss, liegt je nach Typ und gewünschter Sprengkraft bei Uran bei 20 bis 50 Kilogramm.

Iran Atomanlage in Isfahan Uran
Urananreicherungsanlage in IsfahanBild: AP

Bei Plutonium bei sechs bis acht Kilogramm, sagt Götz Neuneck vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg. "Im Wesentlichen ist eine Faustregel, dass man ein waffenfähiges Material in der Größe einer größeren Pampelmuse oder einem kleineren Baseball braucht. Von der Materialmenge braucht man also nicht sehr viel, um eine Zerstörungskraft zu erreichen, die über der Zerstörungskraft der Atombombe in Hiroshima liegt. "

Einfaches Konstruktionsprinzip

Vom Prinzip her ist eine Atombombe recht einfach konstruiert: Sie besteht zum Beispiel aus einem Uranstab, und dieser Uranstab passt genau in einen Hohlzylinder, ebenfalls aus Uran. Keiner von beiden, weder Stab und Zylinder, besitzt eine kritische Masse und kann für sich explodieren. Doch bei der Zündung feuert ein chemischer Sprengsatz den Stab in den Zylinder hinein. Damit ist die kritische Masse überschritten, und die Bombe geht hoch. Das klingt simpel.

Doch in der Praxis ist der Bau einer Atombombe ein anspruchsvolles Unterfangen. Nach Ansicht des Experten Neuneck muss die Sprengstofftechnik beherrscht, erforscht und auch getestet werden. "Länder wie Indien und Pakistan haben ja 1998 getestet, weil die Militärs immer wissen wollen, ob so eine Bombe wirklich funktioniert. Man muss einen Sprengkopf herstellen, der auf eine bestimmte Trägerrakete passt. Und das bedarf dann noch zusätzlicher Entwicklungsschritte. Und wenn man mehrere Nuklearwaffen herstellen möchte, braucht man auch eine Produktionskapazität."

Beschaffung am schwierigsten

Doch der erste und schwierigste Schritt besteht darin, sich überhaupt waffenfähiges Uran oder Plutonium zu beschaffen. Beim Uran liegt das Problem darin, dass Natururan überhaupt nicht waffenfähig ist. Der Grund: Natururan setzt sich aus zwei verschiedenen Uransorten zusammen: Zu 99,3 Prozent besteht er aus Uran-238, und das ist eine relativ stabile Uranvariante, die sich nur schwer spalten lässt und weder für Brennstäbe noch Atombomben taugt. Das eigentliche Waffenmaterial ist das Uran-235. Natururan enthält davon gerade mal 0,7 Prozent.

Luftaufnahne Iran Atomanlage in Natan
Atomanlage in Natanz (Satellitenbild)Bild: AP/DigitalGlobe

Das bedeutet: Will man eine Bombe bauen, muss man die Uran-235-Konzentration künstlich erhöhen - der Fachmann spricht von Anreicherung. Das passiert in aufwändigen Zentrifugen, die mit enormer Geschwindigkeit rotieren. Das Entscheidende: Das Uran-238 ist ein wenig schwerer als Uran-235. Durch die enormen Fliehkräfte in der Zentrifuge sammelt sich das schwere Uran-238 im äußeren Bereich, das Uran-235 bleibt weiter innen. Nur, wenn man diese Zentrifugen sehr lange laufen lässt, erhält man eine Mischung aus 10 Prozent Uran-238 und 90 Prozent Uran-235. Hochangereichertes Uran nennen Fachleute diese Mixtur, und sie ist waffenfähig.

Atomkraftwerke erleichtern Plutoniumgewinnung

Der zweite nukleare Sprengstoff, das Plutonium, wird ebenfalls aus Uran gewonnen. Es entsteht beim Betrieb von Reaktoren aus dem Brennstoff Uran und wird in aufwändigen Wiederaufbereitungsanlagen aus den abgebrannten Brenneelementen herausgelöst. Staaten, die Atomenergie zivil nutzen, sind deshalb im Hinblick auf die militärische Nutzung klar im Vorteil, sagt Götz Neuneck: "Im Prinzip haben Staaten, die über zivile Kerntechnik verfügen, auch die Möglichkeit, Nuklearwaffen herzustellen. Aber sie haben sich im Rahmen des Nichtverbreitungs-Vertrages verpflichtet, dieses nicht zu tun."

IAEA Mohamed ElBaradei
IAEO-Chef Mohamed El BaradeiBild: AP

Die Kontrolle darüber übernimmt vor allem die Internationale Atomenergieorganisation IAEA in Wien. Sie lässt ihre Inspekteure in den jeweiligen Kernkraftwerken und Wiederaufarbeitungsanlagen nach dem Rechten schauen. Denn von außen ist nicht ohne weiteres zu erkennen, ob eine Atomanlage zivilen Zwecken dient oder militärischen - auch nicht mit Hilfe modernster Spionagesatelliten. Mit Satelliten können zwar Baufortschritte oder der Betrieb von bestimmten Nuklearanlagen überwacht werden, ein vollständiges Bild der Aktivitäten am Boden und in den Anlagen können sie jedoch nicht vermitteln. Für wirklich zuverlässige Kontrollen gibt es nur ein Mittel, meint auch Götz Neuneck: "Dazu muss man Inspekteure haben."