1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Atom-Konzerne bestehen Stresstest

10. Oktober 2015

Monatelang haben Wirtschaftsprüfer die Bücher der Energieriesen in Deutschland durchleuchtet. Die Regierung kommt zu dem Schluss: Die vier könnten den Atomausstieg selbst bezahlen.

https://p.dw.com/p/1Gm6V
Atomkraftwerk Philippsburg (Archivbild: dpa)
Atomkraftwerk Philippsburg (Archivbild)Bild: picture-alliance/Ulrich Baumgarten

Die vier großen Energiekonzerne in Deutschland können nach Einschätzung der Bundesregierung die Kosten des Atomausstiegs aus eigener Kraft schultern. "Die Vermögenswerte der Unternehmen decken in Summe die Finanzierung des Rückbaus der Kernkraftwerke und der Entsorgung der radioaktiven Abfälle ab", erklärte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel in Berlin.

Gabriel hatte im Juni bei Wirtschaftsprüfern einen sogenannten Stresstest der Atomkonzerne Eon, RWE, EnBW und Vattenfall in Auftrag gegeben, dessen Ergebnis nun vorgestellt wurde. Damit gibt es für den Atomausstieg erstmals auch ein Preisschild: Laut Gutachten würde das Ende der Kernenergie in Deutschland mit Abriss der Kernkraftwerke und Endlagerung des Atommülls rund 47,5 Milliarden Euro kosten.

Worst Case: Verdoppelte Kosten

Das ist jedoch nur eine Schätzung auf Grundlage aktueller Preise. Niemand weiß, wie sich Kosten und Zinsen in den nächsten Jahrzehnten entwickeln. Der Stresstest zeigt nämlich auch, dass in einem "Worst Case"-Szenario - also unter extrem ungünstigsten Umständen - die Konzerne bis zum Jahr 2099 insgesamt bis zu 77,4 Milliarden Euro an Rückstellungen aufbringen müssten. Aktuell haben sie 38,3 Milliarden Euro gebildet. Im schlimmsten Fall wäre also eine Verdopplung nötig.

Solch ein Szenario hält Gabriel aber für unwahrscheinlich, weil es extrem hohe Kosten und negative Zinsen für die Konzerne in den kommenden 85 Jahren voraussetzt. Die Versorger selbst sehen sich durch das Gutachten bestätigt. Die seit Jahrzehnten geübte Rückstellungspraxis sei damit akzeptiert, teilten Eon, RWE, EnBW und Vattenfall mit. Die Branche wolle sich nicht drücken. Es stehe außer Frage, dass die Unternehmen "zu ihren heutigen Verpflichtungen aus der Kernenergie stehen".

Die Wirtschaftsprüfer verweisen zudem auf das Vermögen der vier Energieriesen. Der Gesamtwert von aktuell 83 Milliarden Euro reiche in jedem Fall aus, um alle Kosten abzudecken. In den günstigsten Fällen würden laut Szenarien 25,1 bis 29,9 Milliarden an Rückstellungen genügen.

Grüne: Gute Nachricht für Steuerzahler

Infografik Deutscher Atomausstieg beschleunigt Energiewende Deutsch (Grafik: DW)

Die Grünen betonten, die Prüfung zeige, dass der Staat keineswegs beim Atomausstieg finanziell einspringen müsse. "Es ist eine gute Nachricht für Steuerzahler, dass die Energiekonzerne die milliardenschweren Altlasten der Atomkraft aus eigener Substanz finanzieren können", sagte Fraktionsvize Oliver Krischer.

Mit Spannung wird nun erwartet, wie zu Wochenbeginn Börsen und Analysten auf die Ergebnisse des Stresstests reagieren. Als Mitte September erste Zahlen zu den "Worst Case"-Annahmen durchsickerten, brachen die Aktien von Eon und RWE zeitweise ein. Die Unternehmen stehen massiv unter Druck, weil sie in ihrem klassischen Kraftwerksgeschäft wegen des Ökostrombooms kaum noch etwas verdienen.

Gesetz gegen Haftungsschlupflöcher

Der Stresstest gehört zu einem Maßnahmenpaket, mit dem Gabriel den Atomausstieg wasserdicht machen will. Am kommenden Mittwoch will das Kabinett ein Gesetz verabschieden, das verhindern soll, dass die Energiekonzerne sich durch die Abtrennung ihrer Atomtöchter vor der Haftung drücken. Eon entschied daraufhin, seine Atomkraftwerke nun doch im Mutterkonzern zu lassen und nicht wie geplant in ein neues Unternehmen auszulagern.

Nach der Atomkatastrophe von Fukushima hatte die damalige Bundesregierung beschlossen, bis spätestens 2022 komplett aus der Atomenergie auszusteigen. Die Kosten für Rückbau und Endlagerung tragen laut Gesetz die Betreiber, die dafür entsprechende Rückstellungen zu bilden haben.

jj/pg (dpa, afp)