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Atmosphärische Störungen

Daniel Scheschkewitz6. Mai 2003

Verteidigungsminister Peter Struck ist nach Washington gereist, wo er an einem informellen Treffen mit seinen NATO-Kollegen teilnimmt. Sein Besuch soll auch das "Misstrauen" zwischen Deutschland und den USA zerstreuen.

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Deutsche Vorhut in Washington: <br>Verteidigungsminister StruckBild: AP

Der deutsche Verteidigungsminister Peter Struck sieht seinen Besuch in Washington als einen Beitrag zur "Rückkehr zur Normalität" in den deutsch-amerikanischen Beziehungen nach dem Streit um den Irak-Krieg. Er betonte daher vor Journalisten in der US-Hauptstadt, Deutschland und die USA arbeiteten "an vielen Stellen der Erde" gut zusammen, im Kampf gegen den Terrorismus, in Afghanistan und auf dem Balkan. Struck zeigte sich zuversichtlich, dass dies in Washington auch honoriert werde. Er ist der erste deutsche Minister, der seit Ende des Irak-Krieges die USA besucht. Neben dem NATO-Treffen gehören auch Termine mit seinem US-Kollegen Donald Rumsfeld, mit dem stellvertretenden US-Außenminister Richard Armitage und der Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice zum Programm des deutschen Verteidigungsministers.

Absolute Funkstille

Das Ziel der Bundesregierung ist klar: Noch in dieser Legislaturperiode, am besten noch in der verbleibenden Amtszeit von Präsident Bush, soll das deutsch-amerikanische Verhältnis wieder ins Lot kommen. Die Eiszeit der vergangenen zehn Monate kommt weder deutschen noch amerikanischen Interessen entgegen. Beide Länder sind auf wirtschaftlicher, politischer und militärischer Ebene viel zu eng miteinander verflochten. Daran, so meint man jedenfalls in Berlin, sollte auch der Krieg im Irak nichts geändert haben.

Doch die Realität sieht anders aus. In der sich abzeichnenden Nachkriegsordnung im Irak spielen nicht Deutschland, Frankreich oder Russland eine Rolle, sondern Großbritannien und Polen. Die Funktion der Vereinten Nationen bleibt rein humanitärer Natur. Die Bemühungen der Anti-Kriegsfraktion innerhalb der Europäischen Union, die europäischen Verteidigungskapazitäten zu stärken, haben für neue Irritationen in den transatlantischen Beziehungen gesorgt. Auch im Verhältnis zwischen Präsident Bush und Bundeskanzler Gerhard Schröder herrscht weiterhin absolute Funkstille.

Offene Fragen

Das deutsch-amerikanische Verhältnis ist von Normalität und professioneller Routine noch immer ein gutes Stück entfernt. Arbeitsbesuche, wie der von Verteidigungsminister Struck oder der von Außenminister Colin Powell demnächst in Berlin sind daher wichtig, um zur weiteren Entkrampfung der Beziehungen beizutragen. Dabei geht es auch nicht um einen Kotau oder die Wiederherstellung einer wahrlich nicht mehr zeitgemäßen Unterordnung Deutschlands unter den globalen Führungsanspruch der USA.

Die Beziehungen sollten von gegenseitigem Respekt und Vertrauen geprägt sein. Dies ist in Afghanistan, beispielsweise bei der Operation "Enduring Freedom" (andauernde Freiheit), schon jetzt der Fall. Trotzdem bleiben zahlreiche Fragen offen: Warum aber muss Struck dem NATO-Partner USA den Brüsseler "Pralinengipfel" von Belgien, Deutschland, Frankreich und Luxemburg im Nachhinein erklären? Warum muss der deutsche Verteidigungsminister von den geplanten Schließungen amerikanischer Truppenstandorte in Deutschland erst in der Zeitung lesen? Diese Störungen sind mehr als nur atmosphärischer Natur. Solange sie nicht behoben sind, bleibt das deutsch-amerikanische Verhältnis gestört. Berlin mag sich im derzeit guten Verhältnis zu Paris und Moskau sonnen, doch solange das Verhältnis zu Amerika schlecht bleibt, liegt über Bundeskanzler Schröders Regierung ein tiefer Schatten.