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Athen will "Merkel-Plan" zur Schuldenkrise

4. Februar 2015

Vor der Parlamentswahl in Griechenland war Bundeskanzlerin Merkel bei den siegreichen Parteien fast ein Hassobjekt. Jetzt appelliert die neue Regierung in Athen an die Kanzlerin, die Führung zu übernehmen.

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Flaggen Griechenlands, Deutschlands und der EU (Foto: dapd)
Bild: dapd

Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hat Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgefordert, in der Euro-Schuldenkrise Führung und Verantwortung zu zeigen. Er wünsche sich einen "Merkel-Plan" nach dem Vorbild des Marshallplans der USA für den Wiederaufbau Westeuropas nach dem Zweiten Weltkrieg, sagte Varoufakis in einem Interview der Wochenzeitung "Die Zeit".

Damals hätten die USA Deutschland den größten Teil der Schulden erlassen. Die Bundesrepublik sei heute "das mächtigste Land Europas" und müsse "Verantwortung übernehmen für andere", erklärte der Athener Minister.

Zugleich kündigte Varoufakis ein Ende der Schuldenpolitik an: "Griechenland wird - abzüglich der Zinsausgaben - nie wieder ein Haushaltsdefizit vorlegen. Nie, nie, nie!", sagte der Finanzminister. Auch in Russland werde sein Land nicht um Gelder bitten. "Wir werden niemals in Moskau um Finanzhilfe nachsuchen", versicherte Varoufakis.

320 Milliarden Schulden

Griechenland war nach Regierungszahlen Ende September 2014 mit knapp 322 Milliarden Euro verschuldet. Die EU-Partner, die Europäische Zentralbank, EZB, und Internationaler Währungsfonds haben seit 2010 insgesamt 240 Milliarden Euro bereitgestellt, um das Land vor dem Staatsbankrott zu bewahren.

Syriza-Anhänger feiern Wahlsieg und verspotten Bundeskanzlerin Merkel (Foto: dpa)
Syriza-Anhänger feiern Wahlsieg und verspotten Bundeskanzlerin MerkelBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Die mit den Finanzhilfen verbundenen Sparauflagen haben Griechenland in eine schwere Wirtschaftskrise gestürzt. Die neue Regierung aus dem Linksbündnis Syriza von Ministerpräsident Alexis Tsipras und einer rechtspopulistischen Partei will die Konditionen für die Finanzhilfen neu verhandeln und hat die Zusammenarbeit mit der Gläubigertroika von EU, EZB und IWF aufgekündigt.

Treffen mit Draghi

Bei einem Treffen mit EZB-Präsident Mario Draghi verteidigte Varoufakis die neue Schulden- und Sparpolitik Athens. "Ich habe Herrn Draghi dargelegt, dass unsere Regierung unumstößlich davon überzeugt ist, dass es kein 'Business as usual' in Griechenland mehr geben kann", erklärte der Minister nach dem Gespräch. "Das gilt auch für das (EU-)Programm, dass die Krise in unserem Land befeuert und eine schwere humanitäre Krise verursacht hat." Das Gespräch habe ihm Hoffnung gegeben, sagte Varoufakis weiter, ohne nähere Erläuterungen.

Draghi äußerte sich nicht. Aus Kreisen der Zentralbank sei jedoch zu hören, dass die EZB die bisherigen Vorschläge Athens im Kampf gegen die Schuldenlast ablehne, berichtete die Deutsche Presseagentur. So sei die EZB nicht bereit, die Laufzeiten griechischer Kredite zu verlängern. Zudem wolle die Notenbank die gegenwärtige Obergrenze von 15 Milliarden Euro für die Ausgabe von kurzfristigen Geldmarktpapieren nicht - wie von der griechischen Regierung zur Zwischenfinanzierung gefordert - um zehn Milliarden Euro erhöhen.

Griechenlands Premier Tsipras (r.) mit EU-Kommissionschef Juncker (Foto: Reuters)
Griechenlands Premier Tsipras (r.) mit EU-Kommissionschef JunckerBild: Reuters/F. Lenoir

Tsipras kam unterdessen in Brüssel mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Ratspräsident Donald Tusk zu Gesprächen über das Schuldenproblem zusammen. Der Syriza-Chef zeigte sich anschließend zuversichtlich, eine Lösung zu finden. Die Geschichte der EU sei zwar eine Geschichte der Meinungsverschiedenheiten, aber am Ende stehe immer ein Kompromiss, sagte Tsipras. Er arbeite mit den
Vertretern der EU an einem solchen Kompromiss. "Wir haben zwar natürlich noch keine Einigung, aber wir sind auf einem guten Weg, eine praktikable Einigung zu finden."

Bei der EU wird laut Diplomaten darauf gewartet, dass die Athener Regierung einen detaillierten Plan für das weitere Vorgehen präsentiert. Die Forderung nach einem Schuldenschnitt, von der Tsipras inzwischen selbst abrückt ist, wird von den Europartnern zurückgewiesen.

wl/SC (dpa, afp, rtr)