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Athestische Werbekampagnen in London

Ruth Rach (Euranet)14. Januar 2009

Eine britische Werbekampagne lässt Skeptiker zu Wort kommen. Plakate mit Sprüchen „Es gibt wahrscheinlich keinen Gott“ fahren durch London. Die Kampagne findet Nachahmer in anderen europäischen Ländern.

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Ein roter Doppeldeckerbus mit einer Werbebotschaft (2009/Jon Worth / British Humanist Association)
In Großbritannien läuft eine "atheistische" WerbekampagneBild: Jon Worth / British Humanist Association

Ein junges Pärchen steht vor einem roten Doppeldecker in der Londoner Tottenham Court Road. Auf der Werbefläche steht in großen roten Buchstaben: "Es gibt wahrscheinlich keinen Gott. Hört auf euch Sorgen zu machen und genießt eurer Leben.“

Zunächst nehmen sie die ungewöhnliche Reklame gar nicht wahr. Dann sind sie ziemlich perplex. "Die Parolen gehen wohl davon aus, dass man sein Leben nicht genießen kann, wenn man an Gott glaubt – aber viele fromme Leute wurden sagen, für sie sei gerade ihr Glaube eine Quelle der Lebensfreude“, sagt die junge Frau. "Der Spruch bringt mir persönlich nicht besonders viel, weil er nur das ausdrückt was ich ohnehin denke“, erklärt ihr Freund.

Atheistische Botschaften in ganz London

Richard Dawkins (14.3.2008/dpa)
Der Schriftsteller Richard Dawkins unterstützt die KampagneBild: picture-alliance/ dpa

Die Idee für die “Atheistenkampagne” stammt von der britischen Komödiantin Ariane Sherine. Sie ärgerte sich über einen Bibelspruch, der ihr von einem Busplakat in die Augen sprang. Darunter stand eine Webseite - dort entdeckte sie die Botschaft, alle Nichtchristen würden für immer und ewig im Höllenfeuer brennen.

Es sei nun höchste Zeit, dass auch die Skeptiker zu Wort kämen, fand Sherine. Die Kampagne finanziert sie mit Spenden: Der berühmte Wissenschaftler Richard Dawkins, Verfasser des Bestsellers "Der Gotteswahn“, sagte der Kampagne seine Unterstützung zu - und plötzlich begann ein regelrechter Geldregen. Innerhalb von vier Tagen gingen 100.000 Pfund ein. Meist waren es kleine Beträge.

Diese Kampagne scheine vielen Briten aus dem Herzen zu sprechen, sagt Dawkins. "Noch vor zehn Jahren wäre es hierzulande undenkbar gewesen, in der Öffentlichkeit über das Thema Religion zu diskutieren. Das hätten die Briten als geschmacklos empfunden.“ Aber seit dem Terroranschlag vom 11. September 2001 seien sie nicht mehr bereit, denjenigen, die ihre Religion in die Welt hinausposaunen, mit höflichem Schweigen zu begegnen. "Wir haben kein Problem mehr damit, Leute zu verletzen. Schließlich haben sie ja auch kein Problem damit, uns zu verletzen, im Extremfall sogar mit Bomben und Terroranschlägen“, erklärt er.

Werbeplakate auf Bussen und U-Bahnen

Ein roter Doppeldeckerbus mit einer Werbebotschaft (2009/Jon Worth / British Humanist Association)
Die Kampagne findet Nachahmer in EuropaBild: Jon Worth / British Humanist Association

Für die Kampagne sind tausend Werbeplakate für die Londoner U-Bahn geplant. Auf zwei riesigen Bildschirmen in der Oxford Street sollen Zitate berühmter Dichter und Wissenschaftler gezeigt werden: "Reicht es nicht aus, wenn man einfach sieht, dass ein Garten schön ist, ohne gleich glauben zu müssen, dass am unteren Ende auch noch Elfen leben?“ Werbeplakate sind auch für 200 Londoner Busse und 600 Busse außerhalb der Stadt geplant.

Der britische Humanistenverband hat die Kampagne mitorganisiert. "Großbritannien ist ein ausgesprochen weltliches Land und dennoch schenken unsere Politiker den Äußerungen von Religionsgemeinschaften viel zu viel Beachtung“, sagt seine Präsidentin Polly Toynbee. Religiöse Interessengruppen seien unverhältnismäßig einflussreich geworden.

Das habe konkrete gesellschaftspolitische Folgen, erklärt sie. "Die Muslime haben damit angefangen, dann sind die Christen auf den fahrenden Zug aufgesprungen und jetzt haben wir plötzlich eine Flut von staatlich subventionierten Konfessionsschulen. In manchen Gegenden ist es fast unmöglich, sein Kind in einer guten Schule unterzubringen, die nicht irgendwie konfessionsgebunden ist.“

Spanien und Italien folgen

Big Ben in London
Im Gegensatz zu früher diskutierten die Briten in der Öffentlichkeit über ReligionBild: AP

Der Werbezug findet internationale Beachtung. In Spanien hat eine ähnliche Kampagne begonnen, auch in Italien ist eine Aktion geplant. Aus Deutschland kämen besonders zahlreiche Anfragen, sagen die Veranstalter. In Australien hingegen wurde ein atheistischer Werbezug bereits verboten.