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Politik

Astana: Neue Hoffnung für Syrien?

Nick Connolly Moskau / jdw
23. Januar 2017

Die Annäherung zwischen Moskau und Ankara hat sie ermöglicht: Die Gespräche in Kasachstan, mit denen Russland, die Türkei und der Iran die syrischen Kriegsparteien an einen Tisch bringen. Aus Moskau Nicholas Connolly.

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Kinder in Aleppo
Bild: Reuters/A. Ismail

Russland, der Iran und die Türkei - drei Mächte, drei Interessen. Jetzt haben sie sich zusammengetan, damit die wichtigsten syrischen Kriegsparteien miteinander sprechen. Die Verhandlungen zwischen Vertretern des Assad-Regimes und der Opposition haben in der kasachischen Hauptstadt Astana begonnen.

Die ehemalige Sowjetrepublik Kasachstan sei als Ort der Friedensgespräche ausgewählt worden, weil Präsident Nursultan Nasarbajew eine entscheidende Rolle für ihr Zustandekommen gespielt habe, sagt der russische Politikwissenschaftler Fjodor Lukanow: "Er war sehr wichtig für die Versöhnung zwischen Russland und der Türkei."

Denn während Russland und der Iran wegen ihrer Nähe zur syrischen Regierung schon lange kooperieren, standen die Spannungen zwischen Moskau und Ankara, das sunnitische Regimegegner unterstützt, solchen Verhandlungen bis vor Kurzem im Weg.

Im Dezember 2015 drohte dieser Konflikte zu eskalieren, als das türkische Militär einen russischen Kampfjet über der türkisch-syrischen Grenze abschoss. Russland erhob informelle Sanktionen gegen den südlichen Nachbarn, doch dann lenkte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan im Juni überraschend ein und sandte eine schriftliche Entschuldigung nach Moskau.

Staffan de Mistura, der UN-Sondergesandte für Syrien (r.) im Gespräch mit dem Leiter der Oppositionsdelegation, Mohammed Allusch. In der Mitte der kasachische Außenminister Kairat Abdrachmanow (Foto: Getty Images/AFP/S. Filipov)
Staffan de Mistura, der UN-Sondergesandte für Syrien (r.), im Gespräch mit dem Leiter der Oppositionsdelegation, Mohammed Allusch. In der Mitte der kasachische Außenminister Kairat AbdrachmanowBild: Getty Images/AFP/S. Filipov

Binnen Tagen waren die Sanktionen aufgehoben und die diplomatischen Beziehungen wiederhergestellt. Im Dezember kooperierten beide Mächte sogar bei Evakuierungen in Aleppo und handelten einen Waffenstillstand aus, der - trotz wiederholter Gefechte - bisher besteht. Anfang Januar flogen russische und türkische Jets ihren ersten gemeinsamen Angriff gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS).

Ringen um Teilnehmer

Lange Zeit war es einfacher zu sagen, wer in Astana nicht mit dabei sein würde: Der IS und die al-Kaida-nahe Fatah al-Scham (ehemals al-Nusra-Front) wurden einhellig von den Gesprächen ausgeschlossen. Strittiger war da schon der Ausschluss der Kurdengruppen, die - zum Ärger Ankaras - bedeutende Teile Nordsyriens kontrollieren, die an die umkämpften Kurdengebiete auf türkischer Seite grenzen.

Im Rixos President Hotel in der kasachischen Hauptstadt Astana finden die Gespräche statt (Foto: Reuters/M. Kholdorbekov)
Im Rixos President Hotel in der kasachischen Hauptstadt Astana finden die Gespräche statt Bild: Reuters/M. Kholdorbekov

Die syrische Regierung hat ihren New Yorker UN-Botschafter Baschar al-Jaafari entsandt. Die Delegation der Opposition leitet Mohammed Allusch, einer der Führer der von Saudi-Arabien unterstützten Rebellengruppe Dschaisch al-Islam, die sich mit syrischen Regierungstruppen einen erbitterten Kampf um die Oasenregion Ost-Ghuta nahe Damaskus liefert.

Umstrittene US-Delegation

Russland, die Türkei und der Iran haben Vertreter ihrer Außen- und Verteidigungsministerien entsandt. Außerdem nimmt der UN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, an den Verhandlungen teil.

Bis zuletzt war nicht klar, ob auch Washington eine Delegation nach Astana entsenden würde. Könnte die Troika Russland-Türkei-Iran den Weg zu einem Frieden ebnen, an dem die Westmächte gescheitert sind, dann wäre das ein diplomatischer Coup - insbesondere für Moskau. Dennoch hatte Russland die neue US-Regierung zu den Gesprächen eingeladen. Das hätte allerdings - wie Nahost-Experte Alexey Malashenko sagt - fast deren Aus bedeutet, weil Irans Außenminister Dschawad Sarif keinen Platz für die USA an diesem Verhandlungstisch sah. Inzwischen ist klar, dass lediglich der US-Botschafter in Astana George Krol als Beobachter an der Konferenz teilnimmt.

Unklare Inhalte

Noch unklarer als die Gästeliste ist die Agenda der Gespräche: Syriens Machthaber Baschar al-Assad ließ verlauten, seine Regierung sei bereit, "alles zu diskutieren". Das ist wenig überraschend angesichts seiner momentanen Stärke nach der Einnahme Ost-Aleppos und den Vorstößen seiner Truppen im Umland von Damaskus. Vor allem gehe es um "Versöhnungs-Deals", die letztlich nichts anderes als örtliche Kapitulationen der Rebellen bedeuten, denen dann eine Amnestie angeboten wird, sofern sie sich nicht in andere Rebellengebiete zurückziehen. Die syrische Opposition dagegen beharrt darauf, dass es nur um Ausweitung und Sicherung des Waffenstillstands sowie humanitäre Unterstützung gehen könne.

Schweiz Syrien Friedensgespräche
In Genf saßen die syrischen Delegationen noch getrennt, hier die Opposition mit UN-Diplomat Staffan de Mistura (5. v. l.)Bild: picture alliance/dpa/F. Coffrini

Dass die Positionen weit auseinander liegen, ist keine Überraschung. Und doch wäre es schon ein Fortschritt an sich, wenn sich Vertreter beider Seiten in einem Raum treffen würden. Bei den UN-geleiteten Verhandlungen in Genf saßen die Abgesandten der Kriegsparteien in verschiedenen Räumen und die UN-Diplomaten liefen zwischen ihnen hin und her, um zu vermitteln.

Auch unmittelbar vor Beginn der Syrien-Friedenskonferenz in Astana erteilten die Rebellen direkten Gesprächen mit der Regierung vorerst eine Absage. Bei der ersten Verhandlungsrunde werde es keine direkten Gespräche geben, sagte der Rebellensprecher Jehja al-Aridi der Nachrichtenagentur AFP. Zur Begründung sagte er, dass sich die syrische Regierung bislang nicht an die Ende Dezember vereinbarte Waffenruhe halte. 

Inwiefern Astana zur Lösung des Konflikts beitragen kann, ist derweil kaum abzusehen. Die syrische Opposition sieht die Gespräche als Chance, den in Genf begonnen Prozess wiederzubeleben. Klar scheint nur eins zu sein: Nach fünf Jahren ist der Syrienkonflikt zu einem Stellvertreterkrieg geworden, in dem andere Mächte - darunter die drei, die diese Konferenz ausrichten - eine mindestens so große Rolle spielen wie die syrischen Parteien selbst. Mit dem Leben in Aleppo und Damaskus hat das alles wenig zu tun.